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interessiren, und die verschmitzte Jantje that Alles, um sein Interesse noch zu steigern. Als sie aus dem Tempel hinausschritt, trat Van Dyk an ihre Seite, zog seinen Federhut und bat um Erlaubniß, ihr das Meßbuch tragen zu dürfen. Jantje gab es zu, und ging zu dem Hause einer Verwandtin, um den Maler über ihre Person sicher zu täuschen. Dieses Rencontre wiederholte sich einige Tage. Jantje ward nachdenklich und Van Dyk fing an, ernstlich verliebt zu werden. Die schöne Frau Rembrandt’s wollte sich zurückziehen; aber Van Dyk schwor, er könne sich dann erst von ihr trennen, wenn er ihr Portrait besitze. Jantje mußte ihm sitzen und der Maler malte sie richtig als „La Reine des Moissonneurs“.

An demselben Abende schickte ihm Rembrandt eine Einladung, zum Nachtessen nach seinem Hause zu kommen und jedenfalls, seinem Versprechen gemäß, das Bild: „Die Schnitter“, fertig oder nicht, mitzubringen. Van Dyk küßte das Portrait der schönen Unbekannten und sagte seufzend sein Erscheinen zu.

Es war spät, als er bei Paul Rembrandt eintrat, den Mantel zurückschlug und sein Gemälde zum Vorschein brachte. Rembrandt im Festkleide, den Federhut auf dem Kopfe, den Degen an der Seite, hielt eine schlanke, prächtig geschmückte Frauengestalt auf den Knieen. Van Dyk sah ihr Gesicht nicht, denn sie hatte ihm den Rücken zugewandt und machte sich an dem Tische zu schaffen, wo das Nachtessen und ein prächtiger Pfau mit ausgebreitetem Schwanze paradirte.

Rembrandt blickte auf das Gemälde.

– Die Königin der Schnitterinnen ist süperbe! rief er lachend dem ernsten Van Dyk zu. Es ist gut, Mynheer, daß Ihr meinem Rathe folgtet und ein Portrait statt Eures Ideals liefertet.

– Dies ist mein Ideal! rief der Maler.

– Wie das meinige! Ihr habt’s in Gedanken, ich, wie gewöhnlich, in der herrlichen, fühlbaren Wirklichkeit. Sieh Dich doch einmal um, schöne Jantje!

– Die junge Frau wandte lächelnd den Kopf und blickte den erstaunten Van Dyk halb schelmisch, halb sinnend an.

– Es lebe Jantje van Rhyn! Die Van Dyk’sche Schnitterin! rief Rembrandt, hoch das gefüllte Glas emporhebend. Und hoch lebe die Natur und Alle, die ihren Fußtapfen folgen, und vergehen möge Phantasterei und Nebeldunst! Hoch alle Maler!

– Für dies Mal mögt Ihr Recht behalten! sagte Van Dyk, indeß er sich faßte und mit wiederkehrender Heiterkeit der schönen Jantje die Hand küßte und mit Rembrandt kräftig anstieß.

– – –

Acht Tage später hatte Rembrandt das Portrait von sich und seiner Frau vollendet, welches ihn an seinen kleinen Triumph erinnerte. Es war lange im Besitz Goevaert Flink’s, dem es Van Dyk vergeblich abzukaufen suchte.


Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 551. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/568&oldid=- (Version vom 1.8.2018)