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so erschöpft und abgestumpft, daß die Nachfragen nach seinen neuen Gemälden fast aufhörten. Unser Bild, wo links sich ein mächtiger Fels erhebt und rechts eine Aussicht über einen flachen Teich nach einer Waldgegend sich eröffnet, ist aus seiner mittleren Periode und weist Spuren von großer Raschheit im Malen. Die Staffage, welche verschiedenes Vieh, einige Weiber und Treiber zeigt, welche sich sämmtlich anschicken, den Teich, oder besser vielleicht, die überschwemmte Wiese zu durchwaten, dürfte derjenigen auf seinem Bilde, die Fähre, angebrachten an künstlerischem Werthe nicht gleichkommen.




Eine Dame im Atlaskleid.
Von G. Terburg.

Gerhard Terburg, auch Terborch genannt, einer der größten Maler Hollands, kann mit Recht als der Vater der Conversationsmalerei angesehen werden, in welcher Dow, Mieris, Metzu und Netscher so große Erfolge errangen. Es ist vielleicht aus der Ursache, weil Terburg in Holland zuerst diese Richtung verfolgte, daß man sich gewöhnt hat, ihn als den vorzüglichsten Meister in der Schöpfung von Conversationsstücken zu betrachten. Man führt auch für Terburg’s Ueberlegenheit den Umstand an, daß namentlich die obengenannten Maler ihn stets als ihr unerreichtes Vorbild betrachteten.

Doch möchte es Terburg schwer werden, definitiv vor einem Dow, Mieris und Netscher den Rang zu behaupten. Terburg’s Phantasie reicht zu einem vollen Genrebilde nur selten aus und er begnügt sich meistens mit höchst einfachen Situationen, die sich in der Regel alle innerhalb desselben, sehr enggezogenen Kreises bewegen. Selbst die gepriesensten Gemälde Terburg’s verleugnen selten eine eigenthümliche Inhaltsleere, an welche sich der Beschauer erst gewöhnen muß, um die Kunst des Darstellers völlig zu würdigen. Terburg, welchem die Erfindungsgabe so ziemlich fehlt, wiederholte sich so oft, wie kaum ein anderer Maler. Der Drang zum wahren Schaffen in der Kunst beschränkt sich bei Terburg auf den Drang zum bloßen Malen. Das aber versteht Terburg auf eine so eminente Weise, daß ihn die niederländischen großen Maler, welche seiner Richtung folgten, selten erreichen und nie übertreffen. Das Kraftvolle bei aller Feinheit der Ausführung, das Geistreiche in der Auffassung, welches uns aus den Bildern entgegenstrahlt, die Dow und Mieris malten, als sie sich von Terburg’s beschränkter Weise emancipirt hatten, besitzt Terburg nicht; doch ist er an treffenden, feinen Nuancirungen des Ausdrucks seiner wenig bewegten Gestalten bei weitem reicher, als Kaspar Netscher in seiner letzten, so überfruchtbaren Periode. Am verwandtesten dürfte dem Terburg Metzu sein, obgleich der letztere immer noch mehr geistige Beweglichkeit besitzt.

Terburg’s Figuren gehören meist immer den höhern Ständen an und zeigen eine Vornehmheit in Haltung und Miene, eine feine Gemessenheit, wie sie kaum ein anderer Maler darstellen kann. Eine eigenthümliche Grazie liegt in diesen Personen, ohne daß man jedoch jedem

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 585. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/602&oldid=- (Version vom 1.8.2018)