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derselben zu verfolgen. Diese miniaturartige Ausführung seiner Bilder liegt vom Ursprung an nicht in van der Werff’s Wesen, wofür namentlich seine frühesten Portraits Zeugniß geben. Eine Ausführung mit Dow’schem und Mieris’schem Fleiße war ihm keineswegs natürlich, daher wird er manierirt und mit Ausnahme des in der Regel mit glücklicher Harmonie gewählten Colorits geht er weit ab von künstlerischer Schönheit und Wahrheit.

Van der Werff hat stets eine ungemeine Vorliebe für Geld gezeigt, ohne aber, wie der alte Rembrandt, dabei die tiefste Verachtung gegen die Ideen und Wünsche der Leute zu empfinden, welche seine Bilder kauften. Seine hohen Gönner liebten den damals modischen Ton des Fleisches, welcher, der Wirklichkeit fremd, elfenbeinglatt sich zeigt, und Werff eignete sich nur zu bald diese gläserne, geleckte, unwahre Weise in seinen Gemälden an. Ebenfalls, und das darf nicht weniger strenge Beurtheilung finden, machte Werff viele Bilder, deren hauptsächlichstes Verdienst eine versteckt sein sollende, darum aber nur um so unverschämtere Lüsternheit ist. Dies Lüsterne verleugnet später der Maler selbst in seinen heiligen Bildern nicht.

Unser Bild, die Austreibung der ägyptischen Sclavin, Hagar und ihres Sohnes Ismael, verbirgt einen Hauch dieser Lüsternheit nicht; ist übrigens rein und reizend aufgefaßt und zeigt eine fast ideale Wahrheit. Auch hat sich der Maler in der Composition einer Einfachheit beflissen, wie er sie selten erreicht. Die diesem Stücke zu Grunde liegende wunderschöne biblische Erzählung darf als bekannt vorausgesetzt werden. Sara, die Frau des Erzvaters, welche ihm keinen Erben geben kann, führt ihm ihre ägyptische Sclavin, Hagar, zu, welche den Ismael gebiert. Als aber die Verheißung des Engels erfüllt war und Sara in ihrem hohen Alter den Isaak, den Einzigen geboren hatte, durch welchen die Völker der Erde gesegnet werden sollten, ward Sara auf ihre Sclavin eifersüchtig und trieb den Erzvater so lange ein, bis er den Ismael, den Spötter, sammt seiner Mutter, mit wenigen Lebensmitteln versehen, aus dem Hause wies. Dies ist der Moment des Gemäldes. Später in der Geschichte ereignet sich die rührende Scene zwischen Mutter und Sohn in der Wüste, als sie sich weit von ihm absetzt und verzweifelnd ausruft: Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben! Aber die fast Verschmachteten wurden durch den Herrn gerettet, welcher ihnen eine Quelle wies, und bald wurden die Nachkommen Ismael’s, die Vorväter der Araber – wie diese behaupteten – die Herren der Wüste und ein handeltreibendes reiches Volk.

Höchst ehrwürdig und bezeichnend steht hier der Erzvater, in dessen Mantelfalten sich der kleine Isaak, schadenfroh seinen bittenden Bruder anblickend, verbirgt. Kaum wagt es Abraham, das weinende Mädchen mit widerstrebender Hand fortzuweisen, während seine Rechte den Sohn segnet. Sara, an einen Pfeiler gelehnt, blickt mit kalter Befriedigung auf ihr Werk, während das Auge Abraham’s von feuchtem Glanze umflort scheint. Im Hintergrunde beginnt mit der Pyramide die steinige, wasserlose Wüste. Die Landschaft ist jedoch höchst nebensächlich behandelt. Die Zeichnung ist sauber, die Gewandungen frei und namentlich beim Abraham in breiter Weise gehalten; die Wirkung des Ganzen ist lebhaft und eindringlich. Doch ist der Farbenauftrag geleckt, obwohl das Nackte bei der Hagar weicher und elastischer erscheint, als dies bei Adrian van der Werff gewöhnlich der Fall ist.

Dieser Maler erhielt für seine Bilder ungeheure Preise; fünf- bis zehntausend Gulden für ein Gemälde war bei ihm nichts Ungewöhnliches. Von dem Chevalier Page bezog Werff 33,000

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/613&oldid=- (Version vom 1.8.2018)