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Als Maler hat er jedoch bei Weitem die beiden andern Caracci nicht erreicht. Seine Zeichnungen sind dagegen von größter Vollendung und in diesem Punkte weicht er weder seinem Vetter noch seinem Bruder. Agostino war der eigentliche Lehrer in der Malerschule der Caracci, und zeigte sich als höchst einsichtsvollen Beobachter und Lenker der individuellen Richtungen seiner Schüler in Bezug auf Kunst. Das beste Oelgemälde Agostino’s ist die genannte, zu Paris bewahrte Communion des heiligen Hieronymus, wie die Galathea oder, wie Andere wollen, die Venus Anadyomene auf dem Meere seine beste Frescoarbeit. Es sind überhaupt wenige Oelbilder von Agostino vorhanden, desto mehr Kupferstiche, unter denen viele von höchster Schönheit des Stichs und der reinsten Schattirung, welche letztere Agostino eigentlich erst in Italien einbürgerte. Die Kreuzigung nach Tintoretto in drei Platten wird mit dem Aeneas und Anchises nach Baroccio für sein schönstes Werk im Kupferstich gehalten.




Der Trompeter.
Von Gerhard Terburg.

Es war noch nicht seit lange, daß Meister Gerhard Terburg in dem alten Münster eingetroffen war. An der Hauptstraße der ehrwürdigen Stadt hatte der berühmte Maler eine Wohnung bezogen, wie sie sicherlich die österreichischen und französischen Gesandten nicht glänzender besaßen. Noch weniger konnten sich diese meist ältlichen Herren an Schönheit der persönlichen Erscheinung mit Terburg messen, und nur einige der jüngeren, namentlich der französischen und kurbrandenburgischen Cavaliere durften sich neben dem kunstreichen Holländer zeigen, ohne von ihm verdunkelt zu werden.

Gerhard Terburg war erst seit einigen Monaten von der Roma zurückgekehrt. Er zeigte in seinem Anzuge von schwarzem Sammt die ausgezeichnete, geschmackvolle Feinheit, in welcher die Italiener von damals selbst die Franzosen weit übertrafen. Doch aber hatte Terburg statt des jähzornigen und hinterlistigen Herzens eines Italieners, dasjenige eines ehrlichen Niederländers wieder mit über die Alpen gebracht.

Der Maler war zu jener berühmten Zeit, 1648, als die Staatsmänner von ganz Europa jenes seltsame und ungeheuerliche Werk zu Stande gebracht haben, welches der westfälische Frieden heißt, etwa sechsunddreißig Jahre alt. Seine Gestalt war schlank und zierlich, sein Haar voll und lockig und die Miene war eben so fein und geistreich, als seine delicat gezeichneten und ausgeführten Gemälde. Diese Gemälde Terburg’s behaupteten schon damals einen hohen Ruf. Es waren noch nicht die anziehenden, vornehmen Conversationsstücke, welche Terburg später in Deventer zu malen anfing, sondern meistens Bildnisse, denen der Maler seine Berühmtheit verdankte. Aber diese Portraits waren meistens auch als Genrebilder feinsten Styls anzusehen, denn Terburg verstand, seine Figuren in den passendsten und interessantesten Umgebungen darzustellen, und diese Umgebungen waren mit seltener Meisterschaft gemalt. Nicht weniger spiegelten die Bildnisse Terburgs die dem Künstler eigene hohe Anmuth wieder; er vermochte im Portrait künstlerische Wahrheit statt einer genauen Abschrift der nicht selten unschönen Wirklichkeit zu geben,

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 703. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/720&oldid=- (Version vom 1.8.2018)