Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/721

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ohne die eigentliche Aehnlichkeit des Bildes mit der dargestellten Person zu beeinträchtigen. Außerdem konnte es kaum vollendetere Cabinetsstücke als die Terburg’schen Portraits geben. Es war wirklich kein Wunder, daß die hohen Herren, welche um den Frieden tagten, sammt den Damen ihrer Familien mit wahrer Leidenschaft auf den Maler eindrangen, um sich portraitiren zu lassen. Terburg empfing, als es eine Art von Ehrensache wurde, von ihm gemalt zu sein, Preise für seine Arbeiten, wie sie ein niederländischer Maler bei seinen Lebzeiten vor ihm kaum bezogen haben dürfte, wodurch er im Stande blieb, sich mit bedeutendem Aufwande in den hohen Gesellschaften Münster und Osnabrücks zu behaupten.

Wie in Italien, so war Terburg auch hier in Münster bald der erklärte Liebling der Damenwelt. Obgleich die letztere ihm bei Weitem nicht so leidenschaftlich huldigte, wie später die hohen Damen Madrids es thaten, wo der Künstler in Folge seiner Liebesabenteuer flüchten mußte: so entstanden doch genügende Ursachen, daß Terburg von verliebten Nebenbuhlern angefeindet wurde.

Während der Friedensunterhandlungen hatte sich eine reiche Anzahl von Sängern, Schauspielern und Tänzern nach Münster gezogen, wo der Ton, wahrscheinlich wegen der französischen und italienischen Cavaliere, bedeutend frivoler war, als in Osnabrück, wo die kaiserlich österreichischen, die reichsständischen und schwedischen Gesandten ehrenfest tagten. Die Damen der fahrenden Gesellschaften in Münster waren es besonders, auf welche die fremden, lebensfrohen Herren Jagd machten, da die ehrsamen Bürger Münsters in der Regel die Thüren fest genug verschlossen hielten, um ihre girrenden Täubchen vor den fremden Habichten zu sichern.

Die ausgezeichnetste dieser fahrenden Gesellschaften war gewiß diejenige, welche der Gesandte des stolzen Venedig, der Nobile, Contarini Contareno, mitgeführt hatte. Es war dies eine Sänger- und Tänzer-Truppe. Der Stern derselben war die Primadonna und erste Tänzerin Signora Alessandra Faletti, ein sicilianisches Mädchen, welche, ungeachtet sie schon fünfundzwanzig Jahre zählte, dennoch eine bezaubernde Schönheit und Frische besaß. Sie war die erste, welche kurz nach Terburgs Ankunft zu ihm kam, um sich malen zu lassen. Ihre Speculation hatte die Italienerin nicht getäuscht; denn als sie ihr Bild bei einem Gemäldehändler nur wenige Tage hatte ausstellen lassen, schienen ihre gefährlichen Pariser Rivalinnen gar nicht mehr für die vornehme Welt vorhanden zu sein, und Jeder sprach nur von Signora Alessandra und Jeder wollte nur sie singen hören und sich an ihren graziösen Schwebekünsten ergötzen.

Alessandra hatte es besonders darauf angelegt, das Herz des Malers zu erobern. Wohl mochte die erste Ursache dieses Planes eben so schlaue Berechnung sein, als es der Auftrag zur Arbeit war, welchen sie Terburg gab. Dieser durfte nur seine Pinsel mit den schmelzreichen Farben füllen, und Mademoiselle Mimi, oder Colette glänzten den Kunstliebhabern aus goldnem Rahmen vielleicht eben so verlockend als Signora Alessandra entgegen. Lange ließ sich der ziemlich eigennützige Künstler bitten, bevor er der italienischen Sängerin das Versprechen gab, keine ihrer Nebenbuhlerinnen malen zu wollen; aber endlich versprach er es doch. Die schlaue Reizende hatte tiefen Eindruck auf Terburgs Herz gemacht, und das wollte viel sagen; denn dem Maler war es eben nichts Ungewöhnliches, sich von schönen Frauen angebetet zu sehen.

Die arme Alessandra aber, welche bis zu dieser Zeit so oft ungestraft mit dem Verlieben gespielt hatte, fühlte sehr bald, daß sie selbst arglos in die von ihr dem Maler gelegte Falle

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 704. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/721&oldid=- (Version vom 1.8.2018)