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dieser Minute in meiner Gewalt, und mögen Sie diesen Umstand nicht vergessen, wenn Sie mir antworten.

Alessandra schwieg unverbrüchlich. An der sich immer mehr verfinsternden Miene des Grafen d’Avaux sah man, wie sich seine aufgeregte Empfindung zur Leidenschaft steigerte. Aber noch ein Mal bezwang er die Worte, welche bereits auf seiner Zunge schwebten, gewaltsam und sagte:

– Sind Sie, Madame, nicht eine Thörin, so das Anerbieten mit Füßen zu treten, welches Ihnen das Glück macht? Und ich, bin ich nicht ein eben so vollkommener Thor, mich über Ihren Eigensinn zu ereifern? Signora, was verlangen Sie von dem Manne, dem Sie Ihre schöne Hand bewilligen? Jugend sicherlich nicht, denn, pardieu! Sie selbst werden keinen Anspruch darauf machen, jung zu sein. Alessandra, ich bitte Sie, erbittern Sie sich nicht vorsätzlich gegen mich! Ich denke, selbst die Jugend kann nicht kräftiger sein als der Mann, welcher vor Ihnen steht! Und wollen Sie Talent, Bildung? Ich darf weiter nichts bemerken! Oder Stellung in der großen Welt! Madame, ich weiß, es ist Ihnen nicht unbekannt, daß der Herzog von Dunois, obgleich ein Prinz von Geblüt, den Grafen d’Avaux hier eben so wenig in Schatten stellen kann, als er dies zu Paris vermöchte. So lange Mazarin nicht in Münster sein wird, ist der Graf d’Avaux der erste aller Repräsentanten der Staaten von Europa . . .

Der Graf hatte eine hohe Haltung angenommen und reichte der Sängerin in der Weise eines stolzen Siegers die Hand. Alessandra schlug seine Hand aus und erhob sich mit einer Art von edler Erbitterung.

– Eine maßlose Eitelkeit, Graf von d’Avaux, sagte sie, giebt Ihnen noch nicht das Recht, fremde Leute zu mißhandeln. Sie berufen sich auf Ihr Herrscherrecht hier in Münster, in das Zimmer einer Dame heimtückisch einzudringen, die Ihnen nie eine Idee von Bevorzugung gegeben hat, wodurch Sie diese Unverschämtheit rechtfertigen könnten. Wer denn sind Sie, lassen Sie sehen? Sicherlich der letzte Edelmann, welcher hier in Münster beim Friedensschluß beräth! Der letzte, sage ich nochmals; denn erbärmlicher als Sie gethan, benimmt sich kaum ein Page, viel weniger ein Mensch, der Cavalier sich nennt.

– Schweigen Sie! Schweigen Sie! rief d’Avaux betroffen, aber erbittert.

– Nein, nein! rief die Italienerin. Ich habe Ihnen zu antworten. Sie wären der vornehmste der hier versammelten Gesandten? Sie? Wissen Sie, Graf d’Avaux, es sind hier neunundsechzig der berühmtesten Staatsmänner unserer Zeit, welche auf einem großen Bilde vereinigt sein werden, auf einem Bilde von Gerhard Terburg, das noch lange berühmt sein wird, wenn die Namen der hier anwesenden Gesandten schon seit hundert Jahren vergessen wurden.

– Terburg? murmelte d’Avaux.

– Ja, Terburg malt dies Bild. Und damit Sie, stolzer, eingebildeter Mensch, eine Ahnung erhalten, wie wenig andere Leute die stolze Meinung theilen, die Sie über Ihre Vortrefflichkeit hegen: so erfahren Sie, daß der niederländische Maler weder Sie, noch den Herrn de Servien, weder den Grafen Lamberg, noch den Nobile Cantareno gewürdigt hat, auf seinem Bilde von dem Compromiß des Friedens von Münster eine Stelle einzunehmen.

D’Avaux ward sehr betreten. Er erinnerte sich rasch daran, daß Terburg, so oft er ihn auch ersucht hatte, ihn zu malen, stets Ausflüchte gefunden hatte, um ihn, den Grafen, mit leeren Worten hinzutrösten.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 710. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/727&oldid=- (Version vom 1.8.2018)