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im Begriffe stehen. Wie, mein Herr, glauben Sie, es ist eine Kleinigkeit, wenn sich in etwa hundert Jahren Jemand auf Ihrem Bilde vergebens nach dem Grafen d’Avaux umsieht?

Der Graf warf sich mit sehr vornehmer Miene in seinen großen Lehnstuhl und schnitt mit großer Beharrlichkeit an seinen rosenfarbenen Nägeln. Dieser Herr sprach von derselben Alessandra, die ihn noch vor wenigen Minuten auf’s Höchste entflammte, mit einer Gleichgültigkeit, als rede er von dem schneeweißen Windspiel, welches eben auf einen Tisch sprang und sich’s mitten zwischen den hochwichtigen Staatspapieren des Grafen sehr bequem machte, ohne daß dieser nur einen Blick zur Seite geworfen hätte. Kaum konnte sich Terburg überreden, der Graf spreche die Wahrheit, und doch sah dieser feine, geübte Physiognomiker nur zu gewiß, daß der wetterwendische Franzose aus vollem Herzen heraus redete.

– Sie haben also nicht die Absicht, ferner der Signora Faletti beschwerlich zu werden? fragte Terburg, welcher, eitel im höchsten Grade wie er es war, sehr durch die Aeußerung des Grafen besänftigt worden war, daß man in hundert Jahren seine Bilder als ein Stück Weltgeschichte betrachten werde.

– Die Signora wird mich hier in Münster ertragen müssen, erwiderte d’Avaux mit feiner Ironie, denn der König von Frankreich schickt mich hierher, und bei aller Hochachtung vor schönen Frauen muß ich doch bezweifeln, daß das Belieben einer Theaterprinzessin derartige Befehle aufheben kann. Aber ich hatte die Absicht und habe sie noch, Ihnen beschwerlich zu fallen, Herr Maler. He, Gallois, Gallois!

Der Officier trat ein.

– Habt Ihr noch die Ordre für den Oberst Maraux?

Der Officier langte den Zettel aus seinen weiten Beinkleidertaschen hervor und gab ihn auf einen Wink des Grafen dem Maler. Dieser ward ziemlich betreten.

– Ja, ja, ich hätte Sie aufheben lassen, und Sie wären nicht fortgekommen, bevor Sie auch mich Ihrem Bilde einverleibt gehabt hätten. Und widerstreben Sie, so sind Sie, ich schwöre es Ihnen, noch in diesem Augenblicke nicht sicher, daß ich Sie gefangen nehmen und zu besagtem Zwecke einsperren lasse, mögen Sie und die Generalstaaten dann später sagen, was beliebt.

Terburg schwankte einen Augenblick in seinem Entschlusse. Am Ende aber behielt das allerdings für ihn Schmeichelhafte der Sache die Oberhand.

– Und ganz in den Vordergrund muß mein Bildniß kommen! näselte d’Avaux, dem Maler mit zerstreuter Miene eine Prise Tabak anbietend.

Beide sahen sich bei diesem Manöver in die Augen und Terburg konnte ein leises Lächeln nicht unterdrücken. Der Graf ward sehr ernst, dann schwenkte er sich auf der Zehenspitze rundum und brach in ein helles Gelächter aus.

D’Avaux reichte dem Maler die Hand.

– Sind wir Freunde? fragte der Franzose.

– Ja, aber Sie werden mich nicht durch Ihre Mousquetaires überfallen lassen.

– Gott bewahre mich vor diesem Frevel! Aber mein Portrait?

– Suchen Sie morgen selbst den Platz auf dem Bilde, wo Sie zu stehen wünschen, Excellenz.

– Ein Wort! rief d’Avaux sehr erheitert, in die dargebotene Hand des Malers heftig einschlagend.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 722. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/739&oldid=- (Version vom 1.8.2018)