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ihm die Hand der Tochter zu geben, vollkommen gerechtfertigt erscheint! Ich weiß jetzt: der Maler hieß Quentin Messys! Ich denke doch, Pieter van Slingeland steht der Musik näher, als jener Mann der Malerei? Wohlan, Mynheer; ich bin von heute an Euer Schüler . . .

Nederhout willigte wirklich ein und Slingeland fing richtig an, sich die unästhetischen Notenfiguren einzubläuen, zufällig Kenntniß von ihrem Werthe und ihrer Geltung, von Takten und einer Masse italienischer Zeichen und Bezeichnungen zu nehmen. Er hatte in den ersten acht Tagen riesenhaft gearbeitet. Noch hatten jedoch seine Hände den heiligen Körper eines musikalischen Instruments nicht berührt. Der Lehrer gab ihm jetzt ein Theorbium. Nach acht Tagen stellte es sich entschieden heraus, daß der Maler nie einen rechtmäßigen Strich darauf leisten können werde. Andere Instrumente kamen an die Reihe; die Blasinstrumente folgten, aber selbst die Trompete gab dem Schüler keine Hoffnung, daß sie sich werde von ihm kunstgerecht behandeln lassen.

Slingeland wäre jetzt schon unfehlbar verabschiedet. Aber er war so schlau gewesen, jeden Tag nicht eher mit Bitten und Anliegen aufzuhören, bis Salomon Nederhout die Violine nahm und ihm Stücke von seiner eigenen Composition vortrug. Der Alte war, was wir nach dem Gesagten kaum noch bemerken dürfen, sehr eitel. Er brachte seiner Eitelkeit den Tribut, sich täglich vor seinem stöckischen Schüler einige Stunden abzuarbeiten; und der Schüler brachte seiner Liebe das Opfer, wie ein Entzückter diese Qual des Anhörens zu ertragen.

– Was meinst Du, Marie, sollte aus dem Pieter noch was Gescheidtes werden! fragte er die Tochter einst im Vertrauen.

– Was weiß ich? Gieb ihn mir so wie er ist, oder ich versichere Dich, daß ich der ganzen Sache sehr bald überdrüssig sein werde.

– Es wird zuverlässig noch ein Musiker, wenigstens ein ausgezeichneter Componist daraus! murmelte Nederhout. Man hat mehre Beispiele, daß große Compositeure die Musik im Kopfe und das Maß für den Wohlklang im Auge, aber durchaus nicht im Ohre hatten. Hätte der Maler keinen Sinn für musikalische Schönheit: so würden ihn meine Meisterwerke nicht so hinreißen. Einen solchen Enthusiasmus fand ich noch selten! Wird Pieter Componist, so heirathe ihn immerhin. Aber ein Instrument muß er nothwendig zu spielen verstehen, sonst hat er bei seinen Studien ja gar keinen Anhalt . . . Welches jedoch . . . welches . . .

– Am besten wäre eine Kinderpfeife, von Bast etwa! sagte Marie malitiös.

Nederhout besann sich einen Augenblick, ob er seine Tochter zurecht weisen wolle, dann aber hatte er einen andern Gedanken. Er rieb sich sehr vergnügt die Hände.

– Richtig! Slingeland hat durchaus keinen Ansatz, bei den Blaseinstrumenten ist von Embouchure gar keine Idee . . . Du hast Recht, es muß ein Instrument sein, sehr einfach, das den Ton fertig in sich liegen hat . . . Und da ist die Pickelpfeife, oder das Flageolet, allerdings das empfehlenswertheste . . .

Marie lachte rücksichtslos.

Aber Nederhout begann sein Werk. Slingeland mußte Flageolet blasen und wirklich erregte er einige schwache Hoffnungen für seine musikalische Zukunft. Nederhout ward täglich mit ihm intimer. Er erlaubte es sogar, daß Marie kommen und, die Violine an den schwanenweißen Hals gesetzt, im Bunde die Dritte werden durfte. Terzette wurden aufgeführt, in denen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 783. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/800&oldid=- (Version vom 1.8.2018)