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– Nein, Geliebte! sagte Jacques mit festem Tone. Du gehst zu weit. Ich kenne Cornelius Liljedorp besser. Dies Verhältniß mit dem Fräulein van Blander ist nun einmal eine seiner bekannten Spielereien. Dann aber bin ich überzeugt, sieht mein Freund Deine Schwester Anna wieder, so wird Dame Jacobaea, die wir mit so unzeitiger Zuvorkommenheit bei uns einluden, bald in Unbedeutendheit zurücksinken.

– Ich wünsche es! seufzte die Schloßfrau. Glaube aber nicht daran. Jacobaea ist nicht unbedeutend, sie ist sogar glänzender als Anna.

– Als Anna? fragte Jacques erstaunt. Diese Coquette sollte der hoch gebildeten, geistreichen Anna überlegen sein? Schöner ist Deine Schwester jedenfalls und ihre geistigen Reize sind mit denjenigen der Dame drüben, denke ich, gar nicht in Parallele zu stellen.

– Gut, mein Theurer! Aber Anna hat nicht die Stimme dieser Jacobaea. Ich versichere Dich, daß sie, wenn sie singt, mich sogar hinreißt. Ich weiß nur zu wohl, welchen ungeheuren Eindruck eine Frau durch vollendeten Gesang auf ein Männerherz machen kann.

– Du hast Recht, erwiderte der Edelmann lächelnd; denkst Du etwa daran, daß Du das erste Glied der Kette, womit Du mich fesseltest, durch Deine herrliche Stimme bildetest? – Aber um von Anna zu reden, so besitzt sie denn doch wahrlich das ausgezeichnetste Malertalent . . .

– Ach, das wirkt zu indirekt! sagte die Dame kopfschüttelnd. Die Persönlichkeit der Künstlerin tritt zu sehr in den Hintergrund. Und hier kommt es eben darauf an, diese und zwar im höchsten Grade geltend zu machen.

Der Edelmann ward diesen scharfsichtigen Bemerkungen gegenüber selbst nachdenklich und für das Glück seiner abwesenden Schwägerin besorgter als zuvor. Endlich aber schien ihm ein sicherer Hoffnungsstrahl aufzugehen.

– Anna ist ja vorzüglichste Tänzerin! rief er lebhaft. Geh doch mit Deinen Befürchtungen . . . Ist das auch etwa eine Kunst, welche sich mittelbar geltend macht, oder eine, bei welcher ein Mädchen Alles entwickeln kann, was ihr an Reiz und Grazie zu Gebote steht?

– Wo soll denn Anna zum Tanzen kommen? fragte die sichtlich auf die Fremde erzürnte Dame. Soll sie dem Herrn von Liljedorp, um ihn wieder für sich zu interessiren, etwa solo auf unserer Stube etwas vortanzen?

In diesem Augenblicke kam Cornelius Liljedorp mit seiner Dame am Arm auf das Ehepaar zu. Liljedorp war ein elegant gewachsener Mann mit dunklem Haar und kleinem Schnurrbarte, etwa sechsundzwanzig Jahr alt. Der bräunliche Ton seiner Gesichtsfarbe paßte vortrefflich zu dem Feuer seiner braunen, blitzenden Augen. Er schien sehr nachdenklich; die Frau van dem Bosch glaubte seine innere Zerrissenheit zu bemerken, welche durch seine aufkeimende Liebe zu Jacobaea, seine Verpflichtungen gegen Anna gegenüber, in seiner Brust hervorgerufen wurde.

Jacobaea dagegen stralte förmlich vor Glück. Es ist wahr, dies stolze Mädchen mit den schwellenden Formen, mit dem frisch blühenden Gesichte und den blonden Locken, die selbst der Neider schön finden mußte, war jedenfalls dem reizendsten Frauenzimmer eine höchst gefährliche Nebenbuhlerin, zumal aber, wenn dieses abwesend war. Das Fräulein van Blander schien sich, nur die Jagd auf die Hand des anziehenden jungen Mannes an ihrer Seite im Auge, wenig um den Eindruck zu kümmern, den ihr Benehmen auf ihren freundlichen Wirth und seine Gemahlin hervorbrachte. Sie wußte, daß ihre Jugendfreundin Anna in diesen Tagen von Amsterdam

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 805. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/822&oldid=- (Version vom 1.8.2018)