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eintraf; sie mußte daher vorher ihre Eroberung durchaus vollendet haben, oder Cornelius war ihr auf immer verloren.

Das Gespräch zwischen diesen vier Menschen wurde, ungeachtet Jacobaea so unbefangen als möglich schwatzte, sehr bald stockend und kalt. Das Ehepaar zog sich bald zurück; Cornelius, von den verschiedensten Empfindungen bestürmt, begab sich auf sein Zimmer und das Fräulein van Blander setzte sich in ihr mit Blumen geziertes Schlafgemach, stimmte ihre Laute und sang, daß es weit über den Garten hinaus durch die schwüle, heiße Luft des späten Sommerabends tönte.

Cornelius wollte bei diesem Gesange fast verzweifeln. Er nahm Anna’s Bildniß, welches an der Wand hing und richtete fest die Blicke drauf. Er durchlebte in Gedanken nochmals die seligen Augenblicke in ihrer Nähe; er wollte seine Seele gewaltsam von dem verführerischen Bilde Jacobaeas losreißen . . . Da – welche Töne quollen in italienischen Melodien, von ihrer Nachtigallenkehle hervorgezaubert, empor und bewegten sein Herz zu stärkeren Schlägen . . . Sein Kampf ward beendigt, denn ein Wagen rollte auf dem Schloßhofe. – Anna, die Geliebte, war angekommen. Cornelius schlich sich fast wie ein Missethäter hinab ihr entgegen.

Anna war brünett, schlanker als Jacobaea; ihr Auge, weniger lüstern, als das der Sängerin, war tiefer, geistreicher, ehrlicher. Für einen Moment sah und empfand Liljedorp nur sie, die Braut. Entzückt sah die Frau van Bosch dieser Empfangsscene zu. Heiterer war sie seit einigen Tagen nicht gewesen, als jetzt, wo sie dem Paare die breite Treppe hinauf zu dem Gesellschaftssaale folgte.

Da kam Jacobaea ebenfalls. Sie stand jetzt dicht neben ihrer Freundin. Cornelius schloß die Augen; er zitterte heimlich an allen Gliedern. Abermals, abermals stand er, ein neuer Herkules am Scheidewege. Der Bräutigam verbrachte eine höchst unerquickliche Nacht.

Am andern Tage war Sonntag. Am Nachmittage kamen die jungen Burschen und Mädchen des Dorfes mit ihrem Dorfgeiger und einem Dudelsackpfeifer an der Spitze auf den Schloßhof gezogen um die Herrschaften vom Edelgute zu einer von der Gemeinde veranstalteten Lustbarkeit einzuladen.

Der Herr van Bosch sagte sein Kommen zu und unter Jubelruf entfernte sich der Zug. Einige Zeit später machte sich die Gesellschaft auf den Weg und kam bald auf dem grünen Rasen vor dem Wirthshause an. Van Bosch führte seine Frau am Arm, welche ihren kleinen Jan an der Hand hielt. Liljedorp führte rechts Anna, links Jacobaea. Anna war, wie ihre Schwester, in schwarze Seide und zwar einfach gekleidet; nur ihre flandrischen Spitzen am Halse zeigten, daß sie die Schwester einer der reichsten Edeldamen der Gegend war. Jacobaea prangte in weißen Seidenstoffen, mit herrlichem Fächer und vielem Geschmeide; sie war wahrhaft bräutlich gekleidet. Die Erscheinung der Gesellschaft erregte allgemeine Bewunderung unter der lebendigen Gesellschaft.

Ein kräftiger Bauer, welcher ballgerecht angezogen war, das heißt, Jacke und Weste abgelegt hatte, kam, um Namens der Anwesenden das Fräulein Anna zum Tanze zu führen. Dies war Ehrensache und ward bereitwilligst von der Dame zugesagt.

Der alterthümliche Tanz, „Kuckuck und Kiebitz“ begann, wobei der Kiebitz, die Dame, sich von Zeit zu Zeit niederkauert, während der Tänzer ihre Hand festhaltend, um dieselbe herum tanzt. Indeß spielten die beiden Musiker aus Leibeskräften, drei Paar tanzten bereits, was sie konnten und Anna’s Tänzer that alles Mögliche, um seiner wichtigen Pflicht Ehre zu machen.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 810. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/827&oldid=- (Version vom 1.8.2018)