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welches in seinem Erdgeschosse eine kleine ausgemauerte Wölbung, die Wohnung des Einsiedlers zeigte.

Dicht vor dem bogenförmigen Eingange in dies ascetische Gemach, über welchem eine alte Laterne mit Hornblenden hing, war eine Erhöhung des Bodens, aus welchem sich der Fuß einer herrlichen Eiche erhob, deren Aeste und Blätterdach sich schützend über die Einsiedelei spannten.

Dies malerische Plätzchen war in diesem Augenblicke ein geheiligtes. Der kleine Hügel war von dem einsamen Waldbruder zum Altar gemacht. Neben dem Stamm der Eiche stand ein großes hölzernes Crucifix von ziemlich guter Arbeit. An dasselbe angelehnt, sah man mehrere alte Bücher. Zu den Füßen des hölzernen Heilandbildes lag eine Sanduhr und ein weißglänzender Todenschädel. An den Baumstamm angelehnt war ein gewaltiges, großes Gebetbuch und vor demselben mit gefalteten Händen knieend, erblickte man den Eremiten selbst.

Er hatte seinen Rosenkranz zur Seite gelegt und war in die tiefste Andacht versunken. Der Mann mußte an siebenzig Jahr alt sein. Spärliches Haar zog sich um seinen kahlen Scheitel; ein mächtiger, schneeweißer, ganzer Bart bedeckte den Untertheil seines faltigen Gesichts. Der Einsiedler war barfuß und trug eine Franziskanerkutte. Er schien erst vor kurzer Zeit von seiner Wanderung nach Lebensmitteln heimgekehrt zu sein; denn an seinem Gürtel von Stricken hing noch die Milchflasche und am Stamm der Eiche war sein geflochtener Brodkorb aufgehängt.

Die Liebenden betrachteten mit tiefem, ehrerbietigen Schweigen diesen Mann, auf dessen Gesichte die Wahrheit geschrieben stand, daß ihm das Leben hartgeprüft habe, daß er mehr durch innern Schmerz und Kummer, als durch die Last der Jahre gebeugt war.

Jetzt stand er auf und schlug sein Buch zu, indeß er einen melancholischen Blick auf seine Umgebung warf. Er schien einigermaßen und nicht unangenehm überrascht als er die Reisenden am Saume des Waldes wahrnahm. Er winkte ihnen, näher zu kommen und sie gehorchten.

Der Eremit segnete beide durch das Zeichen des Kreuzes und begann dann, ohne ihre Anrede zu erwarten:

– Pater Jacobus bietet Euch Gastfreundschaft; denn er sieht, Ihr seid sammt Euren Thieren nicht im Stande, heute Abend das nächste Dorf zu erreichen, auch wenn nicht drüben über die Ebene her ein gewaltiges Unwetter heranzöge. Darum tretet schnell ein; das Rauschen in den Wipfeln der Bäume beginnt schon und wir werden daran denken müssen, unsere Thüren zu verschließen.

Ohne die Antwort abzuwarten nahm Jacobus die beiden Pferde an die Hand und brachte sie unter einen an der Seite des steinernen Gebäudes angebrachten hölzernen Schuppen, der zu diesem Zwecke eingerichtet schien. Er warf ihnen einige Arme voll Kräuter, Gras und Blumen, die er schnell in der Nähe zusammenraffte, vor und ging dann den Reisenden voran in sein gewölbtes mit einem schmalen Fenster versehenes Zimmer.

Daniel hatte dem Alten mit einiger Verwunderung zugesehen.

– Wahrlich, Ihr habt einen guten Lehrer in der Behandlung eines Rosses gehabt, mein Pater! sagte der junge Mann, als er mit Theresia und dem Eremiten an einem einfachen Tisch Platz nahm, um das Mahl des Alten zu theilen.

Pater Jacobus sah den Cavalier groß an, sagte aber nichts.

Allgemach kam eine Unterhaltung zu Stande. Jacobus schien, ungeachtet seiner sich immer

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 851. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/868&oldid=- (Version vom 1.8.2018)