Seite:Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie.pdf/873

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gleichbleibenden Miene, nicht wenig neugierig. Die Reisenden aber waren zu bewegt und beklommen, als daß ihnen nicht eine Mitteilung über ihre Verhältnisse erwünscht gewesen wäre.

Daniel fing also an zu erzählen.

Er war der letzte Sproß eines altadeligen, flamländischen Geschlechts. Sein Vater war im spanischen Kriege gefallen, seine Mutter hatte ihn nur kurze Zeit überlebt. Daniel war von seinem Großvater, seinem einzigen nahen Verwandten erzogen und dieser Alte hatte ihm seinen Lebensweg mit eiserner Hand vorgezeichnet. Es war längst festgesetzt, daß Daniel die einzige Tochter eines Edelmannes heirathen sollte, welche im Besitz bedeutender Besitzungen, ihren Adel bis zu den alten Grafen von Brabant hinaufführen konnte. – Daniel aber verliebte sich in Theresia de Valnaer, deren Vater ein reicher Brüsseler Kaufmann war. Der alte Edelmann tobte; de Valnaer, nicht weniger stolz als dieser, drohte Theresia ins Kloster zu stecken, wenn sie ferner die geringste Verbindung mit Daniel unterhalte. – Die verzweifelnden Liebenden faßten bald einen Entschluß. Die brüsseler Edelleute und Patrizier stellten eine glänzende Reigerjagd an, an welcher auch Theresia Theil nahm. Von der Jagd ab entführte Daniel, aller Welt zu Trotze, die Geliebte und brachte sie glücklich über Mons hinaus bis in Pater Jacobus Klausnerei.

Dieser hatte aufmerksam zugehört.

– Aber, Du sagtest mir nicht, sprach er nach langem Sinnen, wie Dein Name heißt?

– Daniel van der Palm!

Das lederfarbne Gesicht des Eremiten erbleichte. Verwirrt erhob er sich; er schien fliehen zu wollen . . . Dann aber setzte er sich, indeß er sein Haupt fast auf die Brust fallen ließ, wieder nieder.

– Van der Palm! murmelte er. Seid ruhig Kinder; vielleicht kann Euch Jacobus nützen.

Weitere Aufklärung gab er nicht. Theresia legte sich in dem kleinen Verschlage, welcher das saubere Bett des Eremiten enthielt, zur Ruhe und Daniel ging oben in die Kapelle, wo er sich vor dem kleinen Altar auf einer Decke ausstreckte. Jacobus hatte sich, des aufsteigenden Sturmes ungeachtet, nicht zur Ruhe begeben, sondern ging, im Selbstgespräch begriffen, vor der Einsiedlei auf und ab.

Daniel hatte eine Idee, als höre er durch den Schlaf das Sausen und Plätschern von einem gewaltigen Regengusse; er war zu sehr ermüdet, als daß er wach geworden wäre. Dann ward alles still. Später hörte er Pferde wiehern und stampfen und zwei Männer laut mit einander unmittelbar unter dem Kapellenfenster sprechen. Er horchte; die eine Stimme fuhr ihm durch Mark und Bein.

– Ich hab’s von einem Schäfer gehört, daß sie den Weg hierher eingeschlagen haben! erscholl es. Und ich sehe, ich bin hier recht. Da sind die Pferde. Wo sind diese beiden wahnsinnigen, diese Verbrecher? Zittere, Du schwachköpfiger Mönch, wenn Du sie mir verbirgst, oder gar – wenn Du sie schon getraut haben solltest . . .

Das war der alte van der Palm. Daniel sah zum Fenster hinab. Triefend vom Regen stand der Greis da, die Hand an’s Schwert gelegt; Jacobus ihm gegenüber. Den letzteren kannte er kaum wieder. Aufrecht, kräftig stand er vor dem Edelmann. Ein eigenthümliches Paar, von dem unsichern Scheine der Laterne vor der Klause beleuchtet.

– Wirst Du reden, Pater Franziskaner? rief van der Palm, die Hand ausstreckend.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 856. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/873&oldid=- (Version vom 1.8.2018)