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Jacobus ging in die Zelle und kam sofort zurück. Er trug ein langes, schmales Schwert in der Linken. Mit einer stolzen Bewegung faßte er den Griff desselben und zog eine wohlgepflegte, tadellos glänzende Klinge aus der Lederscheide.

– Was? schrie sein Gegner, dessen Klinge augenblicklich enblößt war. Meuchelmord? –

– Nein, ritterlicher Kampf . . .

– Mit Dir, Pfaffe? rief Palm wüthend.

– Mit mir, David! Dein Großsohn und seine Braut, Theresia de Valnaer sind unter meinem Dache. Der Weg zu ihnen geht aber nur über meine Leiche. Erfülle das Maß Deiner Hartherzigkeit. Pieter van Mool, der seit vierzig Jahren Verschollene steht vor Dir . . .

Palm that einen Ausruf und prallte einige Schritte zurück.

– Du konntest einst Deinem Busenfreunde, als er, der Unbegüterte, die Liebe Deiner einzigen Schwester errungen hatte, den Tod des Herzens geben, dadurch, daß Du meine Elizabeth in ein Kloster sperrtest, wo sie, von mir getrennt, sich zu Tode grämte! sagte Jacobus mit fester Stimme. Heute, wo Du dem Grabe ebenso nahe stehst als ich, bist Du entschlossen, dieselbe Unmenschlichkeit an Deinem einzigen Enkel zu verüben. Ein solcher Tiger verdient nicht zu leben! Leg Dich aus Palm, oder bei Gottes Blut, wenn Du ebenso feige als grausam bist, so stoße ich Dich nieder, ohne meine Klinge mit der Deinigen zu kreuzen . . .

Palm erhob sein Schwert und trat in Fechterstellung vorwärts. Dann aber sank sein Arm; er wandte sich zur Seite und steckte mit einem hallenden Stoße seinen Degen wieder ein. Hierauf kreuzte er die Arme und blickte seinen mönchischen Gegner lange schweigend an.

– Nein! sagte Palm, indeß er seinen großen Hut mit dem schlaff herabhängenden, nassen Federbusche abnahm. Nein! so weit sind wir denn doch noch nicht gekommen. Bist Du wirklich Mool, Pieter Mool? Aber ja; ich kenne Dich an den Blicken Deiner Augen! Die Todten stehen wieder auf . . . Wäre ich doch nie, nie diesen Weg gekommen . . .

– Danke dem Winke des Himmels, der Dich vor einem neuen Unrecht bewahrte! murmelte der Eremit.

– Thu’ mir die Gefälligkeit und verlaß mich! sagte Palm, die Hand auf die Augen legend. Deine Nähe weht mich an, wie Gespensterluft! Wo ist mein Daniel, wo ist Theresia? Daniel! Komm zu Deinem alten Großvater, damit er sich wieder faßt, damit seine Besinnung wiederkehrt! Komm – meinetwegen mit Deiner Braut – aber laß uns so schnell als möglich diese Teufelsklause verlassen!

Durch dieses Wort des alten van der Palm ward die Erstarrung, womit Daniel der vorigen unheimlichen Scene zugeschaut, gelöst. Er stürzte die steinerne Treppe hinab und wollte sich vor dem Großvater niederwerfen. Palm hielt ihn davon ab. Theresia erschien ebenfalls. Palm reichte ihr die Hand. Die Liebenden wollten ihre Bitte um Vergebung stammeln.

– Ja, ja! Gut! Abgemacht! unterbrach sie Palm. Thut was Ihr wollt. Aber Ihr hättet mich fragen können, bevor Ihr auf diese Weise zu Werke ginget . . . Sattele die Pferde, Daniel, wir werden noch wohl bis zur nächsten Herberge gelangen.

Der Eremit hatte sich seitwärts an die Eiche gelehnt und schwieg. Zuweilan aber glänzte es auf seinen Wangen im Widerschein des Laternenlichtes; Thränen stahlen sich hinab in seinen langen Schnurrbart.

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 857. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/874&oldid=- (Version vom 1.8.2018)