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Palm war nicht zu bewegen, hier zu übernachten. Er näherte sich dem Pater Jacobus, ergriff seine Hand und sagte:

– Pieter! Dir kann ich nichts vergüten; die vergangenen Zeiten sind unwiederbringlich vergangen. Wir würden nach einem so verschiedenen Leben nicht zu einander taugen; sonst sollte Dir ein Platz auf meinen Gütern nicht fehlen . . .

– Ich danke; hier wird meine Grabstätte sein! sagte Jacobus mit Mühe.

– Damit Du aber siehst, daß Dein Wort noch ein Echo in meiner Brust findet, so – mach Dich bereit, um in Deiner priesterlichen Eigenschaft sofort diese beiden Bösewichter zu verheirathen und einzusegnen. Ich nehme es auf mich, bei Theresiens Vater dies zu vertreten.

Ein sichtliches Entzücken flog über die des Lächelns ungewohnten Züge des Waldbruders. Er nahm seine Laterne und führte die drei Menschen in seine Kapelle, steckte seine großen Kerzen an und die feierliche Handlung – sicher in so eigenthümlicher Weise als möglich, begann. Als der Segen gesprochen war, umarmten alle den Eremiten und setzten sich dann zu Pferde.

– Wir sehen uns bald wieder! rief der alte Palm zum Abschiede, indeß seine Kinder Anstrengungen und Ermüdung vor ihrem Glück vergaßen.

– Droben! murmelte Jacobus.

Er hatte Recht, denn bald war der Eremit gestorben.

Heute Nacht aber ging er mit den Worten auf seinem Lager zur Ruhe . . .

– Herr, nun lässest Du Deinen Knecht glücklich scheiden, denn er hat endlich seinem Feind verzeihen können und hat eines der Werke gethan, die Dir Wohlgefallen.




Verona.
Von Canaletto.

Obgleich Canaletto hier einen heitern Frühlingstag mit klarem Himmel, grünenden Bäumen und durchsichtig blinkenden Gewässem dargestellt hat, so wird es doch wenige Beschauer dieses vortrefflichen Stückes geben, denen nicht sofort Bürgers herrliches Lied vom bravem Manne einfiele. Von den damals schon vorhandenen vier steinernen Brücken, welche die Insel San Thomas in der Etsch mit der Stadt verbanden ist es zwar eine andere, als die hier dargestellte gewesen, wo der hochherzige Unbekannte seine unsterbliche That ausführte; man träumt dennoch, daß das malerische Gebäude auf der Mitte der Brücke das vom Sturm und Wogendrang umdonnerte Zöllnerhäuschen sei.

Ungeachtet der meist alterthümlich erscheinenden Bauart der Brücke und der Häuser tritt uns hier Verona mit denselben Reizen geschmückt entgegen, die wir heute noch an dieser Stadt bewundern. Nichts kann die Heiterkeit des Himmels von Verona übertreffen, oder die elastische Weichheit der Atmosphäre, die dennoch durch ihre Frische an die Nähe der Alpen mahnt. Die Etsch, welche, wenn der Schnee schmilzt mit fürchterlicher Gewalt und im pfeilschnellen Laufe sich aus dem Hochgebirge

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 862. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/879&oldid=- (Version vom 1.8.2018)