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Wir geben nun eine kurze Übersicht über die Geschichte der einzelnen Theile unseres Kreises nach den selbstständigen Ländern, zu welchen sie bei der französischen Occupation gehörten.

1. Die Grafschaft Moers. Sie umfaßte die jetzigen Bürgermeistereien Moers Stadt und Land, Capellen, Vluyn, Neukirchen, Repelen, Baerl, Homberg, Emmerich, Budberg[1], Friemersheim mit Ausnahme der Ortschaft Hohenbudberg und des westlich von der Staatsstraße gelegenen Theiles von Caldenhausen, und die Gemeinde Ossenberg[2]. Außerdem gehörten in andern Kreisen zur Grafschaft Moers die Herrlichkeit Crefeld und das jetzige Casselerfeld bei Ruhrort. Der Besitz der Herren und Grafen von Moers war ursprünglich klein und erweiterte sich erst im Laufe der Zeit zu dem angegebenen Umfange: namentlich wurde die aus den Kirchspielen Friemersheim, Emmerich und Capellen bestehende Herrlichkeit Friemersheim erst im Jahre 1390 durch Kauf mit der Grafschaft vereinigt. Die älteren Grafen von Moers, deren Ursprung dunkel ist, regierten bis 1493. Unter ihnen erhielt das seitherige Dorf Moers vom Kaiser Albrecht diejenigen Gerechtsame und Freiheiten, welche die Stadt Dinslaken besaß (1300). Diedrich II. von Moers war schon 1287, um sich den Besitz seines Landes zu sichern, genöthigt, zu dem Grafen von Cleve in das Verhältniß eines Lehnsmannes zu treten; sein vierter Nachfolger, Graf Diedrich IV., wurde jedoch im Jahre 1361 durch eine Urkunde, deren Ächtheit clevischer Seits freilich bestritten worden ist, von seiner Lehnspflicht wieder entbunden. Der letzte der älteren Grafen von Moers, Vincenz, der sich in den Geldernschen Händeln durch treue Unterstützung des Hauses Egmond gegen den nachmaligen Kaiser Maximilian ausgezeichnet hatte, wurde von diesem in die Reichsacht erklärt und trat deshalb 1493 die Grafschaft an seine Tochters-Tochter und deren Gemahl, den Grafen Wilhelm von Wied ab. Nach Vincenz’s Tode (1499) traten verschiedene Prätendenten auf, welche den Grafen Wilhelm aus dem Besitze der Grafschaft verdrängten, bis er dieselbe im Jahre 1510 mit Hülfe des Kaisers Maximilian wiedererlangte. 1519 überließ er das Land seiner Tochter und deren Gemahl, dem Grafen Wilhelm von Nüenar, welcher 1541 genöthigt wurde, die Lehnspflicht gegen Cleve zu erneuern. Sein Sohn Hermann, der Reformator der Grafschaft, starb 1578 kinderlos. Wiewohl nun von Cleve die Grafschaft als ein erledigtes Lehn in Anspruch genommen wurde, so verglich man sich doch dahin, daß Walpurgis, die Schwester des Grafen Hermann, im Besitze derselben verbleiben, daß aber, falls sie ohne Nachkommen stürbe, das Land an Cleve zurückfallen solle. Walpurgis, die Wittwe des auf Alba’s Befehl in Brüssel hingerichteten Grafen von Hoorn, war in zweiter Ehe mit dem Grafen von Nüenar, Herrn zu Alpen[3], aus der älteren Linie dieses Geschlechts, vermählt, welcher sich in dem Truchseß’schen Kriege und seit 1584 als Niederländischer Statthalter von Geldern in den Kämpfen gegen die Spanier einen berühmten Namen machte, aber nicht verhindern konnte, daß (1588) die Grafschaft von den Spaniern besetzt wurde. Er starb 1589 in Arnheim durch die Explosion einer Petarde. Nach dem Tode seiner Gemahlin, welche ihn bis 1600 kinderlos überlebte, hätte das Land gemäß dem eben erwähnten Vergleiche an Cleve fallen müssen. Allein Walpurgis hatte bereits am 20. November 1594 die Grafschaft an Moriz, den zweiten Sohn des berühmten Prinzen Wilhelm I. von Oranien, des Bruders der Gemahlin des Grafen Hermann von Moers verschenkt. Moriz, der am 3. September 1597


  1. Die Bürgermeisterei Budberg besteht aus den Gemeinden Budberg (Nieder-Boedberg) Eversael und Vierbaum. Die Gemeinde – früher Herrlichkeit – Budberg war ursprünglich ein churkölnisches Lehen. Im Jahre 1334 verkaufte der Besitzer, Arnold von Aerscheidt, die Kirche daselbst an den Grafen von Moers. Nach dem Aussterben der herrschaftlichen Familie scheint die Landeshoheit von Moers in Anspruch genommen worden zu sein. Jedenfalls einigte man sich über Jurisdiction und Einkünfte dahin, daß erstere von den Grafen von Moers und den Churfürsten von Köln gemeinschaftlich ausgeübt, letztere aber in der Art getheilt wurden, daß jenen der Zoll, diesen der Zehnten zufiel. – Eversael war ein eigenes Kirchspiel, welches aber schon frühe mit Budberg vereinigt wurde; einige Höfe jedoch hielten sich zur Kirche und zum Gericht in Rheinberg, andere zu Orsoy. Die in älterer Zeit mehrfach eingetretenen Änderungen im Laufe des Rheinstromes dürften auf diese Verhältnisse von Einfluß gewesen sein. – Vierbaum war bis in’s vorige Jahrhundert hinein eine uncultivirte Haide mit höchstens einigen Kathstellen. Wann und in welcher Weise dieselbe an Moers kam, darüber liegen uns nähere Nachrichten nicht vor. Ein großer Theil der Vierbaumer Haide ist den vertriebenen Salzburgern zur Ansiedelung überwiesen worden.
  2. Ossenberg war ursprünglich ein churkölnisches Lehen. Schon seit dem truchsessischen Kriege hatten sich indessen die Besitzer desselben, die Herren von Wevort, als Freunde und Waffengenossen des Grafen Adolph von Nüenar und Moers, diesem Lehnsverhältnisse entzogen. Ihre Besitznachfolger ließen später die von ihnen angestellten Richter von der Kammer zu Moers bestätigen und begaben sich hiermit vollständig unter Moersischen Schutz. Churköln verwahrte sich zwar seine Rechte dadurch, daß es bis zur französischen Occupation Ossenberg jedesmal zum Landtage entbieten ließ, jedoch ohne Erfolg.
  3. Die churkölnische Unterherrlichkeit Alpen kam durch die Schwester des Grafen Adolph an die gräfliche, jetzt fürstliche Familie Bentheim-Steinfurt, welche das Rittergut Alpen noch gegenwärtig besitzt.