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Die Abtei Camp besaß in ihrem ursprünglichen Fundationsgebiete die niedere Gerichtsbarkeit, zu welcher sie im Jahre 1739 auch die höhere erwarb. Außer diesem und dem Gerichtsbezirke von Rheinberg gab es in dem zum Kreise Moers gehörigen Theile des Erzstifts Cöln noch zwei Gerichtsbezirke, nämlich den von Boekholt (dem jetzigen Vierquartieren, welcher Name erst im siebenjährigen Kriege üblich wurde) und den von Menzelen. Die Erzbischöfe ließen die Gerichtsbarkeit durch einen Vogt verwalten, welcher jährlich ein Vogtgeding zu Menzelen, eines zu Issum (im Kreise Geldern) und eines zu Boekholt abhielt. Im 13. Jahrhundert schenkte der Erzbischof von Cöln die Vogtschaften über die drei Gerichtsbezirke, welche von da ab unter dem Namen Vogtei Menzelen begriffen wurden, dem Grafen Reinold von Geldern, welcher sie den Herren von Alpen zum Lehen gab. Im Jahre 1388 fiel sie durch Kauf an den Erzbischof zurück.

Wenn man den Weg von Rheinberg nach Camp verfolgt, so gewahrt man zur Linken einen breiten und tiefen, nur in einem kleinen Einschnitte seiner Sohle mit etwas Wasser gefüllten Graben, die sog. Fossa Eugeniana, die, wenn sie der ursprünglichen Absicht gemäß vollendet worden wäre, Rheinberg zu einer bedeutenden Handelsstadt gemacht haben würde. Im Jahre 1626 nämlich, als Rheinberg im Besitz der Spanier war, faßte Isabella Eugenia Clara, Tochter Philipps II., Stadthalterin der Niederlande, in der Absicht, dem Handel der Holländer einen tödtlichen Stoß zu versetzen, zugleich aber auch eine feste Vertheidigungslinie gegen dieselben zu gewinnen, den Plan, den Rhein und die Maas durch einen schiffbaren, von Rheinberg über Geldern nach Venloe führenden Kanal mit einander in Verbindung zu setzen. Obwohl die Holländer alles versuchten, das Werk zu hintertreiben, so war dasselbe doch Ende Juli 1627 soweit gediehen, daß die Statthalterin den Kanal von Rheinberg bis Geldern auf kleinen Fahrzeugen bereisen konnte. Als aber 1633 Rheinberg von den Holländern eingenommen wurde und auch Venloe im Westphälischen Frieden an Holland kam, mußte die Fortsetzung des Werkes unterbleiben. Erst Napoleon griff die Idee 1809 wieder auf. Da indeß der Rhein, welcher früher dicht bei Rheinberg vorbeifloß, inzwischen sein Bette verändert hatte, so entschied sich Napoleon dafür, den Kanal von Venloe über Niersen nach Neuß zu führen. Schon waren 5 Millionen Francs verwendet, als die 1810 erfolgte Vereinigung Hollands mit Frankreich dieser Anlage, welche dem holländischen Handel verderblich geworden wäre, ein Ende machte.

5. Die Herrlichkeit Frohnenbruch und Hörstgen, die jetzige Bürgermeisterei Hörstgen umfassend, kam, ursprünglich ein Besitzthum der Herren von Vlodorp, im 16. Jahrhundert an die Freiherren von Millendonk, welche die Reformation einführten, und von diesen durch Erbschaft an die Herren von dem Knesebeck. Das Ländchen galt lange Zeit für ein unmittelbares Reichslehen; bei der französischen Occupation jedoch war die Frage über die Lehnsherrlichkeit zwischen Churköln und Moers[ER 1] rechtsanhängig.

Im Jahre 1794 wurde fast das ganze linke Rheinufer von den Franzosen besetzt und demnächst im Lüneviller Frieden (9. Februar 1801) an Frankreich abgetreten. Unter der Fremdherrschaft gehörte unser Kreis zum Roerdepartement mit der Hauptstadt Aachen, und mit dem Canton Xanten zum Arondissement Cleve, mit den übrigen Theilen zum Arondissement Crefeld[1]. Nachdem 1814 die Alliirten das linke Rheinufer in Besitz genommen hatten, wurde dasselbe unter der von ihnen ernannten Centralkommission durch Generalgouverneure verwaltet, bis durch den auf dem Wiener Congreß am 5. April 1815 gefaßten Beschluß die jetzige Rheinprovinz definitiv an Preußen fiel. Durch Patente von demselben Tage ergriff Friedrich Wilhelm III. Besitz von den Ländern am Rhein, worauf ihm am 15. Mai in Aachen die Huldigung geleistet wurde.


  1. Aus der Zeit der Fremdherrschaft verdient folgender Vorgang Erwähnung. Als nach der Schlacht bei Leipzig die Belagerung der Festung Wesel in Aussicht stand, erinnerte sich der damalige Commandant Burke der zwei Jahre vorher an Ort und Stelle ausgesprochenen Worte des Kaisers Napoleon, daß das Städtchen Büderich, weil es der Vertheidigung von Wesel hinderlich sei, beseitigt werden müsse. Er erließ daher im Dezember 1813 den Befehl an die Einwohner von Büderich, binnen 8 Tagen ihre Wohnungen zu verlassen. Die Einwohner suchten Zuflucht in den benachbarten Ortschaften, worauf alsbald Mineurcompagnien erschienen und das Zerstörungsgeschäft begannen. Die Häuser wurden eingerissen, die Kirchen und andere feste Gebäude mit Pulver gesprengt. Die Einwohner kehrten, als die Franzosen am 1. Mai 1814 Wesel verlassen mußten, auf die Stätte der Zerstörung zurück und errichteten Hütten, um ihre Gärten und Ländereien bewirthschaften zu können. Im Jahre 1816 wurde ihnen die Stelle, wo jetzt Büderich steht, 20 Minuten von der zerstörten Stadt entfernt, angewiesen, auf welcher sie Nothhäuser errichteten. 1818 begann der Neubau des Ortes und wurde 1822 beendet.
    Die von den Franzosen rasirten Gebäude waren zu 631.570 Francs abgeschätzt, welche Summe von Frankreich in einer Rente von 31.578 Francs 50 Cents, vergütet wurde. Bei dem Verkauf der Rente wurden jedoch nur 498.701 Francs 47 Cents erlöst, der Verlust indeß durch eine Collekte und die Munifizenz des Königs Friedrich Wilhelm III. größentheils gedeckt.

Errata

  1. Statt Geldern lies Moers. Siehe Seite 156.