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Stellen wir den Gestorbenen das dreifache Mittel dieser Zahlen (25218), was freilich nicht genau ist, als Lebende gegenüber, so starben von diesen 16,23%.

Im Alter von über 5 bis mit 14 Jahren starben 249 Kinder. Es wurden in diesem Alter gezählt:

im Jahre 1858 11879 Kinder und im Jahre 1861 11987 Kinder.

Das dreifache Mittel beträgt 35799; der Procentsatz der Gestorbenen also 0,69%.

Man pflegt die sogenannte mittlere Lebensdauer einer Bevölkerung zu berechnen, indem man ermittelt, wieviel Lebensjahre die Gestorbenen einer bestimmten Zeitperiode zurückgelegt hatten, und die sich ergebende Zahl der zurückgelegten Jahre durch die Zahl der Gestorbenen dividirt. Um diese Operation für unsere Kreis zu machen, nehmen wir an, daß die Gestorbenen jeder einzelnen Alterklasse das mittlere Alter dieser Klasse erreicht hätten, wodurch allerdings ein etwas zu hohes Resultat herauskommt. So nehmen wir z. B. an, daß die 25–30jahrigen 271/2, die 55–60jährigen 571/2, die über 90jährigen 95 Jahre alt geworden seien. Alsdann ergiebt sich als sogenannte mittlere Lebensdauer 30,46 oder, wenn man die Todtgeborenen wegläßt, 32,71 Jahre. Die Zahl ist sehr hoch: denn in Preußen betrug dieselbe (die Todtgebornen nicht eingerechnet) von 1816–60 27,53 und in der Rheinprovinz in derselben Zeit 29,80 Jahre. (Zeitschrift des statistischen Büreaus I. p. 351). Offenbar wird dieses Durchschnittsalter der Gestorbenen mit Unrecht als die mittlere Lebensdauer der Bevölkerung bezeichnet: denn dasselbe hängt gleich der Sterblichkeitsziffer wesentlich von der durch mancherlei Umstände bedingten Zusammensetzung der Bevölkerung nach den verschiedenen Altersklassen ab, und giebt demnach, indem es mehr die Vergangenheit, als die Gegenwart abspiegelt, keineswegs an, welches Lebensalter eine große Anzahl in dem betreffenden Zeitraume Geborner durchschnittlich zu erreichen Aussicht hat. Dagegen unterscheidet sich das Durchschnittsalter der Gestorbenen dadurch von der Sterblichkeitsziffer, daß die Ereignisse der Vergangenheit auf jenes in mancher Hinsicht anders einwirken, als auf diese. Wenn z.B. vor 70 Jahren verhältnißmäßig viele Kinder geboren worden wären, so würden folgerecht im laufenden Jahre viele 70jährige vorhanden sein und demnach auch viele 70jährige sterben: dies würde die Sterblichkeitsziffer erniedrigen, das Durchschnittsalter der Gestorbenen aber erhöhen. Andererseits trägt eine große Anzahl in den letzten Jahren Geborener dazu bei, sowohl dieses, als jenes herabzudrücken.

Um die mitlere Lebensdauer einer Bevölkerung unabhängig von der Zusammensetzung derselben nach den verschiedenen Altersklassen zu bestimmen, hat man vorgeschlagen, die Gestorbenen jeder Altersklasse mit den Lebenden, aus welchen sie hervorgegangen sind, zu vergleichen, darnach zu berechnen, in welcher Weise eine größere Anzahl von gleichzeitig Geborenen – etwa 10000 – unter Voraussetzung der also ermittelten Sterbenswahrscheinlichkeiten absterben würden, und alsdann die mittlere Lebensdauer dieser Personen – in diesem Falle Vitalität genannt – in der oben angegebenen Weise zu berechnen. Diese Operation, welche man in Belgien und den Niederlanden wenigstens versucht hat, ist bei der bereits erwähnten Beschaffenheit unserer statistischen Tabellen hier nicht durchzuführen. Es gehört dazu nicht nur eine sehr sorgfältige Aufzeichnung der Altersverhältnisse der Gestorbenen, sondern auch eine genaue, in wiederholten Zählungen zu bewirkende Ermittelung der Lebenden nach den einzelnen Altersjahren. Da die Behörden in dieser Beziehung lediglich auf die Angaben der Betheiligten angewiesen sind, die letzteren aber oft ihr Alter nicht wissen, oder dasselbe falsch angeben, so wird man im Wege der Volkszählung wohl schwerlich jemals ein genügend zuverlässiges Material zur Berechnung der Vitalität oder der Absterbeordnung einer Bevölkerung erlangen. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, so hätte man damit immer noch nicht das, was man in der Vitalität sucht, nämlich einen Gradmesser für die Wohlfahrt eines Volkes. Indem nämlich die Vitalität z. B. die Sterbenswahrscheinlichkeiten der jetzt 50 und 70jährigen auf die jetzt Geborenen resp. die von diesen nach 50 und 70 Jahren noch Übrigen anwendet, überträgt sie Vergangenes auf die Gegenwart und Zukunft, da jene Sterbenswahrscheinlichkeiten unzweifelhaft mehr das Produkt vergangener, als gegenwärtiger Zustände sind. Überhaupt scheint uns das Bestreben der Statistik, eine Zahl zu finden, welche als untrüglicher Gradmesser der öffentlichen Wohlfahrt dienen könnte, in dieselbe Kategorie mit denjenigen ebenfalls unlösbaren Aufgaben zu gehören, welche sich andere Wissenschaften stellten, da sie noch in jugendlicher Überschätzung ihrer Kräfte sich ihre Ziele nicht hoch genug stecken zu können vermeinten. Wie es nicht gelungen ist, ein perpetuum mobile zu construiren, die Quadratur des Cirkels, die materia prima, eine Universalmedizin zu entdecken, so wird es auch der Statistik niemals gelingen, die unendlich mannigfaltigen, sowohl moralischen als physischen Zustände eines Volkes in eine einzige Zahl hineinzubannen.