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den „Nachtwachen“ ausführt: „Toren verstehen unter diesem Innehalten die Ewigkeit, es ist aber das eigentliche Nichts und der absolute Tod, da das Leben im Gegenteile nur durch ein fortlaufendes Sterben entsteht.“ Ich bin danach überzeugt, daß Wetzel der Verfasser der W-Epigramme der Abendblätter ist, und betone außerdem, daß die Art der Satire, die sich in ihnen ausspricht, mit der sonst bekannten Art Wetzels durchaus übereinstimmt.

Wie Kleist nun dem Dresdener Wetzel die Treue hielt und seinen Distichen auch den kargen Raum der „Abendblätter“ öffnete, so trat Wetzel auch getreulich dem viel angefeindeten Freunde Adam Müller zur Seite. Müllers „Elemente der Staatskunst“ waren 1809 erschienen, und mit ihrer Bekämpfung der Revolution und Adam Smith’ Freihandelslehre, mit ihrer Betonung des Christlichen und Nationalen im Staatsleben stemmten sie sich dem herrschenden Zeitgeist entgegen. Um nicht ausführlich Dargestelltes hier wiederholen zu müssen, verweise ich auf die betreffenden Abschnitte in meinen „Berliner Kämpfen“ S. 8 ff. und 52 ff. In den damaligen Journalen wurden die „Elemente“ fast durchweg verurteilt; auch in den „Abendblättern“ tobte der Kampf um sie, doch so, daß Kleist, Arnim und die Freunde für sie Partei nahmen. Als im 48. Abendblatt vom 24. November 1810 Müllers Schlußwort in der Krausfehde erfolgte, rückte nun Kleist unmittelbar darauf in dasselbe Blatt folgende satirische Distichen ein:

     An die Recensenten der Elemente der Staatskunst
 von Adam Müller.
Recensionen verfert’ge ich euch, wie der Weber die Strümpfe,
     Schwarz heut oder auch weiß, wie nur der Meister verlangt.
Um das Maas nicht bin ich bekümmert, um Läng’ und um Breite,
     Denn solch Strickwerk, es zieht doch sich nach jeglichem Fuß.
Freilich wer Strümpfe bedarf, sucht sich die passenden selber;
     Aber die Recension zieh’ ich gewaltsam euch an.
Und drum web’ ich auch alles fein leicht und windig wie Spinnen,
     Denn wie selten es paßt, merkte sonst endlich das Volk.
Nimmer möcht ich, bei Gott, mich mit dem Ganzen befassen,
     Jag’ ich dem Einzelnen nach, giebt sich das Ganze von selbst.
Ueber ein Buch erscheine mein Urtheil streng doch gerecht auch!
     Sätze zerr’ ich heraus, führe den klarsten Beweis.
Was der Verfasser will, und wie sein Wollen erreicht ist,
     Geht mich nichts an, ich weiß: was mit ihm selbst ich gewollt.
Fühl’ ich, beim Lesen des Buchs, „so hätt’ ichs selber geschrieben –,
     Dann ist’s trefflich, es wird Lob ihm und Ehre genug.
Was mir am meisten verhaßt, ich will es ehrlich bekennen,
     Unverständliches, Freund, ist mir ein schrecklicher Gräul.
 W.

Satire, Tendenz, Sprache und Unterfertigung weisen uns wieder auf Wetzel als Verfasser.

Die neu erschlossene Tatsache, daß Wetzel als Beiträger zu Kleists „Berliner Abendblättern“ erscheint, hat an sich nichts Ungewöhnliches.

Empfohlene Zitierweise:
Reinhold Steig: Friedrich Gottlob Wetzel als Beiträger zu Heinrich von Kleists „Berliner Abendblättern“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen. Georg Westermann, Braunschweig 1911, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Steig_Wetzel_Berliner_Abendblaetter.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)