Seite:Studie über den Reichstitel 22.png

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nachzuweisen.[1] In dem einzelnen Falle unter König Albrecht aber handelt es sich um eine Empfängerausfertigung, deren Text von einem des Kanzleistils nur wenig Kundigen verfaßt ist.[2] Während nämlich sonst der Titel, welcher lateinisch einfach semper augustus lautete, in den deutschen Texten in erweiterter Form durch „alle Zeit Mehrer des Reichs“ wiedergegeben wurde, schrieb er unter Anwendung der an dieser Stelle auch später stets vermiedenen vollen Formel: zů allen ziden ein merer des heiligen Romischen riches. Die Urkunde spricht also wohl dafür, daß auch der deutschen Sprache die Wendung geläufig, nicht aber, daß sie in das Formular der deutschen Königsurkunden eingedrungen war. Erst unter Karl IV. wurde die Verwendung des vollen Reichstitels in den deutschen Texten der Königsurkunden häufiger, und zwar bald nicht weniger häufig als in den lateinischen Urkunden.[3] Und wenn vielleicht in manchen Fällen das Vorkommen der deutschen Wendung sich aus der Benutzung einer lateinischen Vorlage erklären mag, so kommt es doch schon unter Karl IV. vor, daß bei Herstellung von lateinischen und deutschen Ausfertigungen derselben Urkunde die Kanzlei im deutschen Texte die Bezeichnung „heiliges römisches Reich“ setzte, wo sie sich an der entsprechenden Stelle des lateinischen Textes mit sacrum imperium begnügte.[4] Der Ausdruck war also damals in dem deutschen Urkundenstil der Reichskanzlei nicht weniger eingebürgert, als in dem lateinischen.

  1. 1. März 1340; Winkelmann, Acta II, 617, S. 376: von unserm und des heiligen Romischen riches chrieg wegen. Unecht ist Böhmer, Acta 703, S. 488, wo unsere Formel sich findet.
  2. Lehenbrief für Ulrich von Stein vom 12. März 1301; Vancsa a. a. O., Beilagen, Nr. VIII, S. 133.
  3. Z. B. 11. Dezember 1347: Winkelmann, Acta II, 687, S. 424; 13. Dezember 1347: ebenda 689, S. 429; 3. Dezember 1353: Zeumer, Goldene Bulle II, Urkunden Nr. 6, S. 62; 15. Juni 1361: Gutjahr, Urkunden deutscher Sprache in der Kanzlei Karls IV., Nr. 5, S. 411; 23. April 1370: ebenda Nr. 15, S. 425.
  4. Dies ist der Fall in den in deutscher und lateinischer Ausfertigung vorhandenen Urkunden des Herzogs Rudolf von Sachsen vom 11. Dezember 1356, die unzweifelhaft in der kaiserlichen Kanzlei geschrieben sind, bei Zeumer, Goldene Bulle II, Urkunden Nr. 30 A und B, S. 114 und 116, im Titel des Ausstellers.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1910, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Studie_%C3%BCber_den_Reichstitel_22.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)