Seite:Studie über den Reichstitel 40.png

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Das deutsche Kaiserreich in seinen universalen und nationalen Beziehungen, Innsbruck 1861. Wir führen daraus nur die Stelle, welche uns hier besonders interessiert, an, S. 63: „Das Kaiserreich Karls beruhte auf einer Versetzung römischer und christlicher Anschauungsweisen, es fehlte ihm jeder nationale Charakter; das Kaiserreich Ottos des Großen und seiner Nachfolger, wenn es auch an denselben Ideenkreis anknüpft, nur als eine Fortsetzung des frühern erscheint, zeigt ein wesentlich deutsches, nationales Gepräge. Nur der deutsche Herrscher war zur Kaiserkrone berufen, auf die Kraft der deutschen Nation war das Reich gegründet, nach dem Rate der deutschen Fürsten wurden seine Geschicke geleitet; und vor allem war es die deutsche Auffassung des Staates, welche den ganzen eigentümlichen Bau durchdrang; mochte es nach wie vor den Namen des römischen Reiches führen, seinem Wesen nach war es ein deutsches. Dieses heilige römische Reich deutscher Nation war weder ein Weltreich noch ein Nationalreich, aber es war eine Staatsbildung geeigneter, wie mir scheint, als irgend eine andere, um gleichzeitig der Lösung nationaler wie universaler Aufgaben gerecht werden zu können“.

Wir sehen, wie Ficker immer wieder das heilige römische Reich deutscher Nation nennt und diesen Namen geradezu als Argument für die Richtigkeit seiner Ansicht gebraucht. Man kann sich nur schwer vorstellen, daß ein Mann wie Ficker nicht gewußt haben sollte, wann dieser Titel entstand, und was er ursprünglich bedeutete; und doch müssen wir es annehmen. Ebensowenig aber hatte sein Gegner davon eine Ahnung; denn statt irgendwelche Zweifel über die Zulässigkeit der Anwendung dieses Titels auf das deutsche Reich des Mittelalters auszudrücken, greift er ihn selbst auf und verwertet ihn im gleichen Sinne.[1]

Vielleicht unmittelbar anknüpfend an Eichhorn ist Gregorovius zu ganz ähnlichen Anschauungen und zu einer ganz

gleichen Auffassung des Reichstitels gelangt wie Ficker. Er

  1. Vgl. H. v. Sybel, Die deutsche Nation und das Kaiserreich, Düsseldorf 1862, S. 34: „So war das römische Kaiserreich deutscher Nation gegründet. Der Kaiser war König von Deutschland, König von Italien usw.“
Empfohlene Zitierweise:
Karl Zeumer: Heiliges römisches Reich deutscher Nation. Eine Studie über den Reichstitel. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger, 1910, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Studie_%C3%BCber_den_Reichstitel_40.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)