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Atlas umkleidet nicht eine Birche? Und da die Welt so ein Macrovestis oder das grosse Kleid ist, was ist wol der Mensch selbst anders als ein Microvestis, oder vielmehr eine ganze Kleidung mit aller zugehörigen Ausstaffierung? Was den Leib betrift, so wird solches wol niemand in Abrede seyn können. Wenn man aber auch die Eigenschaften der Seele untersuchet, so wird man finden, daß alle und jede das ihrige beytragen, eine ordentliche Kleidung auszumachen. Zum Exempel ist die Religion nicht ein Mantel? die Redlichkeit ein paar Schuhe, die im Koth ausgetreten worden? die Eigenliebe ein Surtout? die Eitelkeit ein Hemd? und das Gewissen ein par Hosen? welche zwar zur Bedekung der Ueppigkeit, und der Unfläterey gemachet sind, aber auch sehr leicht zum Dienst beyder herunter gezogen werden.[1]

Diese Säze zugegeben, so folget ganz natürlich, daß diejenigen Substanzen, welche die Welt uneigentlich Kleider zu nennen pfleget, eigentlich und in der That die artigsten Thiere, (Animalia) oder noch weiter zu gehen, vernünftige Wesen, und würkliche Menschen sind. Denn es ist offenbar, daß sie leben, sich bewegen, schwazen, und alle andere menschlichen Verrichtungen vornehmen. Sind nicht Schönheit, Wiz, Mine, und gute Manieren ihre unzertrennliche Eigenschaften? Kurz,


  1. Dieses ist eine Satire wider die Heuchler und Fanatiker, welche die Religion und das Gewissen stets zum Dekmantel ihrer Boßheit und Laster machen.
Empfohlene Zitierweise:
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Mährgen von der Tonne. [recte: Orell in Zürich], Hamburg und Leipzig 1758, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Maehrgen_von_der_Tonne-1758.djvu/105&oldid=- (Version vom 1.8.2018)