Seite:Swift-Tuchhändlerbriefe-Satyrische und ernsthafte Schriften 1-1756.pdf/33

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Er geht umher, und sucht, wenn er uns verschlingen könne.[1] Er hoffet, wir sollen ermüden, mit ihm zustreiten, und daß wir zulezt aus Tummheit, oder Furcht, oder aus Ueberdruß uns immerhin entgegen zusezen, wol werden nachgeben müssen. Und darum (ich gestehe es) lasse ich es auch meine gröste Bemühung seyn, eure Munterkeit und Empfindlichkeit aufrecht zuerhalten. Wenn ich euch sage, es liegt eine grausame Kluft unter euch, und daß ihr, wenn ihr weiter fortgehet, unfehlbar den Hals brechen werdet; wenn ich vor euern Augen selbst mit dem Finger darauf weise; muß ich es wol alle Morgen wiederholen? Ist das Herz unsers Volks verstokt? Sind seine Ohren taub zuhören? und haben sie ihre Augen verschlossen?[2] Ich fürchte, es sey einiges Natergezücht unter uns, das für zehn oder zwanzig Pfunde Gewinnst, Seele und Vaterland verkaufen würde, obschon dieses zulezt seinen eigenen Untergang, so wol als den unsrigen würde nach sich ziehen. Seyt nicht gleich der tauben Nater, die ihr Ohr verstopfet, daß sie nicht höre die Stimme des Zauberers, des Beschweerers der wol beschwerren kann.[3]

Obgleich mein Brief an euch gerichtet ist, Herr Harding, so ist doch meine Meinung, daß er zugleich für alle meine Landesleute geschrieben seyn soll. Ich habe an dieser Sache weiter keinen Antheil, als in so fern sie alle insgemein betrift. Ich kann besser durchkommen als viele andere. Ich bin nicht ganz entblösset von Gold und Silber, und habe einen wolgespikten Laden. Ich werde mir zuhelfen wissen, wenn viele vornehmere als ich bin, darben müssen; aber es kränket mich, wenn ich sehe, wie kaltsinnig und gleichgültig sich viele Leute,


  1. 1. Petrus 5, 8: Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge.
  2. Matthäus 13, 15: Denn dieses Volkes Herz ist verstockt, und ihre Ohren hören übel, und ihre Augen schlummern,...
  3. Psalm 58, 5–6: Ihr Wüten ist gleichwie das Wüten einer Schlange, wie die taube Otter, die ihr Ohr zustopft, daß sie nicht höre die Stimme des Zauberers, des Beschwörers, der wohl beschwören kann.
Empfohlene Zitierweise:
Jonathan Swift, übersetzt von Johann Heinrich Waser: Briefe des Tuchhändlers. [s.n.], Hamburg und Leipzig 1756, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Swift-Tuchh%C3%A4ndlerbriefe-Satyrische_und_ernsthafte_Schriften_1-1756.pdf/33&oldid=- (Version vom 1.8.2018)