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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

Wissenschafft hiervon ermangelt / und sich mehr um ihre cultur auch Krafft und Tugend ihrer Gewächse / als um deren historie und Ankunfft bekümmert haben.

§. 3. Aber wieder auf unser Vorhaben zu kommen / so kan in vielen und in meisten Ländern das jenige wilde Holtz / so Tangeln träget / als Tannen / Fichten und Kiefern / am füglichsten von Saamen gezeuget werden / wächset auch also gewisser und sicherer / als wenn es verpflantzet wird / darvon bereits ob Meldung geschehen.

Desgleichen ist das Holtz / so Laub träget / als die Eiche, die Asche / Buche / Ahorn / Linde / Ilme / Haselstaude / u. s. w. vermittelst des Saamens auch wohl fort zubringen / wie wohl auch die beeden letztern von dem Schößerlingen oder Sprossen / so von dem Baum selbst / oder von der Wurtzel abgezogen / jedoch aber nicht so / gut als durch den Saamen / fortgepflantzet werden.

§. 4. Wenn wir nun hierbey ein wenig stille stehen / und den Saamen unterschiedener Bäume betrachten / so ist allenthalben die Allmacht und Weißheit des allgütigsten Schöpffers dabey zubewundern.

Denn so klein und unansehnlich als er theils ist / so kan man doch nicht anders schließen / als daß in solchen die Wurtzeln / Stamm / Aeste / Blätter / Schale, Marck u. s. f. begriffen und verborgen sind / daß wenn es möglich / solchen zu anatomiren / oder durch ein Microscopium gnüglich zuerkennen und zu discerniren / sich benentes alles darinnen zeigen und finden würde. Sintemahl so bald dergleichen Saamen nur etwas aufkeimet und sich aufblehet / die Wurtzel / das Stämmgen / und die Blätter nach und nach / augensichtig und sattsam zu erkennen sind. Nochmehr bestärcket solches die Göttliche Providenz, wenn man einen phasolen oder andern Kern eines geringen Gewächses ansiehet / da er zwar von Natur ziemlich groß ist / und doch nur einen geringen Stengel etwa eines Fingers starck treibet / so auch kaum ein halb Jahr dauret / und hernach vergehet / und umfält.

Hingegen aus einem einzigen kleinen Körnlein von Tannen- und Fichten-Saaamen (wie denn die grossen Bäume alle schier den kleinsten Saamen haben) ein solcher Baum wird / dessen Holtz man kaum mit zehen Wagen hinweg führen kan / und dieser träget auch auf einmahl so viel Saamen / daß man ein groß Theil eines gantzen Waldes / auf viel hundert Schritte lang / besaamen und davon aufbringen könte / welchen Uberfluß denn Göttliche Allmacht nicht umsonst verleihet / sondern vielmehr dadurch uns anleiten will / die Säung und Pflantzung des Holtzes vor die Hand zu nehmen / und weil es uns allerdings nützlich / darbey nicht säumig zu seyn / wie denn auch dieselbe Mittel gnug darreichet / solches vermittelst der Menge des Saamens glücklich und nach Wunsch vollbringen zu können.

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/144&oldid=- (Version vom 14.2.2021)