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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

Ort mit seinem Climate seine Verwandniß habe / dahero mancher Boden unfruchtbar scheinet / und vice versa, und folglich viel auf die Erfahrung ankommen muß.

Also thut zwar auch ein guter zubereiteter Boden / und unermüdeter Fleiß des Menschen das seine bey diesem Baum und Wald-Anbau / aber die Lufft hat hier auch ihren sonderlichen Antheil in Wachsen in Zunehmen und Erhaltung / wie auch bey dem Aufsteigen des Saffts und fermentation der Gewächse. Der Ritter Digby und der Herr Hannemann halten darvor / daß die Erdgewächse ihre Krafft mehr von der Lufft als der Erden hätte.

Zum Exempel führen sie an einen Hollunder Baum / der auf einer sehr hohen Kirche gewachsen und eine ziemliche Grösse erlanget habe / anderer Gewächse so daselbst gestanden zu geschweigen. Hugo von Linschot erzehlet daß auf der Insul Tercera an denen steilesten Felsen der Wein in grosser Menge wachse.

Scharoccius hat dieses gleichergestalt durch folgendes Experiment probiret: Er setzte über eine noch zarte Pflantze ein Glaß / worinnen auf der Seiten ein Loch war / da denn die Pflantze sich jederzeit nach selbigen lenckte / er mochte das Loch hinkehren wo er wolte.

Woraus denn erhellet / daß über derer Erdgewächse aliment, so man sehen und fühlen kan / und in der Erde und Wasser bestehet / auch noch etwas unsichtbares / so man nicht fühlen und greiffen kan / concurrire / auch daß solches in der Lufft enthalten und die quint Essentz aller anderer Elementen sey / welche allen übrigen natürlichen Dingen ihren succum alibilem einflösset.

Woher aber der Hollunder und Vogelbeer-Baum auf alten Mauren seinen Ursprung habe / wollen einige der Natur / so solche von sich selbst herfür bringt / zueignen / theils aber den Wind / Vogeln und Mäusen / so den Saamen dahin geführet und getragen / beymessen / welches letztere auch das Wahrscheinlichste seyn mag.

§. 23. In den Thälern / warmen Gründen und Ebenen wo mülderer und gütiger Boden / als auf den Höhen / könte nicht undienlich seyn / wenn man Eschen / Ahorn / Ilmen / Linden-Bäume und dergleichen Holtz pflantzete und säete / weil solche auf kalten nordlichen Höhen / wo die Winde und grimmige Kälte und Frost mehr anfallen können so leichte nicht zunehmen und gedeyen möchten; aber an südlichen Bergen haben sie insgemein gutes Fortkommen.

§. 24. Schließlichen ist noch dieses beyzusetzen / was man von einem grossen Liebhaber der Bäume-Gewächse sagen hören / welchen man leicht Beyfall geben kan / daß nehmlich alles verlohren sey / wenn man nicht selbst Lust und Liebe habe / Bäume aufzubringen / es helffe so dann der Boden nichts / so helffe auch der Saame / Witterung

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/179&oldid=- (Version vom 21.8.2021)