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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

und allda gepflantzet worden / wie bey dem Plinio zu lesen und bald mit mehrern dargethan werden wird.

§. 4. Wir wollen indessen nur der Aloë gedencken / welche erstlich aus Africa und Asia, endlich gar aus America zu uns in Teutschland ist überbracht worden / allwo sie an dem Boden keine Stieff-Mutter gefunden. Denn da sie sonsten (wie man insgemein davor gehalten) 100. Jahr oder ein gantzes Seculum zu ihrer Blüte erfordert / so ist sie durch fleißige Wartung in 25. Jahren dahin bracht / daß sie arboresciret einen Stengel von 25. Werckschuh hoch getrieben / so an die 25. Aeste von sich gestoßen und auf denenselben ingesamt 5133. Blumen hervor bracht.

Diese ist Anno 1700. in dem Bosischen schönen Garten zu Leipzig befindlich gewesen und selbst von Ihrer Majest. der Königin in Pohlen / so von Torgau nach Leipzig / dieses blühende Wunder zu sehen / gereiset / auch sonst von einer unzehligen Menge Volcks bey wehrender Michaelis Messe mit großer Verwunderung betrachtet worden / anderer so hin und wieder in Teutschland geblühet / und von denen etlichen gantze Tractate geschrieben / zugeschweigen.

§. 5. Wenn es müglich / daß die vielfältigen Arten der Bäume / so man in andern Ländern hat / in theils Provinzien von Teutschland könten gebracht und darinnen fortgepflantzet werden / wie etzlicher maßen daran nicht zu zweiffeln / so könten diese sich glücklich schätzen. Denn sie geben fast alles / was zur menschlichen Nothdurfft und Unterhaltung dienen kan. Unter andern ist der Baum in Ost-Indien / so Brodt / und der Wollen-Baum / so Wolle zur Kleidung giebet / der Inselt-Baum in China, so Inselt in großer Menge träget / und die mannigfaltigen Früchte / so die Bäume tragen / sind ja an der Güte und Menge unendlich; der Cocos Baum giebt Butter / Wein / Eßig und Brandewein etc. und wer könte alle die Nutzbarkeiten erzehlen / daß man wohl sagen kan: Ist der Mensch durch eines Baumes Frucht gefallen; so hat GOtt denselben durch die Bäume und Früchte in seinem Leben über flüßig gesegnet damit der Fall und Schmertzen / so daraus den Menschen zu gewachsen / in etwas gelindert werden möchte.

§. 6. Es ist auch unter andern zu der Menschen sonderbahren Besten erschaffen Agnus castus, Keuschlamb oder Keusch-Baum / von welchem Discorides schreibet Lib 1. c. 116. daß dessen Blätter / wenn man darmit räuchert / oder sie unterstreuet / allem Gifft widerstehen / auch den Schlangen-Biß heilen sollen.

Desgleichen soll derjenige so einen Stab von diesen Baum in der Hand träget / sich keinen Wolff gehen.

Die Alten haben geschrieben / daß zu Athen etliche erbare Matronen ihr Lager auf dieses Baums Blätter oder Laub gehabt haben / um stete Keuschheit zu halten.

Derhalben

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/255&oldid=- (Version vom 21.8.2021)