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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

abgestoßen werden / daß man meynen solte / es wäre gantz keine Krafft / Safft / noch vegetation mehr in solchen Bäumen / wie wohl sie sich bey angehenden Frühling wieder ausputzen / und ihre vorige Anmuth mit jung herfür wachsenden Laube aufs neue annehmen / daß es fast das Ansehen gewinnet / als ob diese Saisons eine Comoedie spielten / und das Theatrum zu gewißen Zeiten veränderten. Hingegen das Tangel-Holtz bleibet perpetuirlich grüne / und ist dießfalls keiner sonderlichen Veränderung unterworffen auch dahero desto anmuthiger.

Denn wenn sonsten der gantze Erdboden mit Schnee und Frost bedecket / und gantz weis scheinet / so prangen diese Bäume alleine mit ihrer stetigen und immerwährenten grünen Farbe / die sie unverändert in allen Jahres-Zeiten / als Sommer und Winter darstellen / welches sonsten kein so großer Baum als ein vegetabile zu thun vermögend ist.

§. 3. Von diesem Tangel- oder Hartz-Holtze nun haben wir in unsern Ländern zwar nicht mehr / als dreyerley Arten / nehmlich I. die Tanne / so den Vorzug hat / auch wohl in die weiße und rothe wiewohl mit schlechten Unterschied getheilet wird / II. die Fichte / welche gleicher Gestalt in die rothe und weise unterschieden III. die Kiefer.

Jedoch finden sich auch einzeln der Lerchen-Baum / und der Eybenbaum.

In andern Ländern werden erwehnte 3. Hartz-Bäume in vielerley Geschlechte abgetheilet / aber von denen / so an unsern Orten wachsen / observiret man / daß nur nach Beschaffenheit des guten und schlimmen Bodens diese jetzt gedachten beyde Arten / die weiße und rothe nehmlich / an der Höhe / Stärcke / Geradigkeit oder Krümme mercklich von einander differiren / etliche ein gutes und tüchtiges / andere aber ein morsches / brüchig und geringes Holtz / etzliche auch eine weißere / oder röthere Rinde haben / wie denn sonderlich die Kiefer auf hohen morastigen naßen / und zugleich sehr kalten Gegenden gantz klein bleibet / wie eine Staude / und doch gleichwohl Zapffen und Saamen träget.

Weil nun von diesen dreyen in specie zuhandeln ist / als wollen wir noch eines und das andere / was das Tangel-Holtz angehet / vorher anführen.

§. 4. Es ist sich nicht wenig zu verwundern daß die grimmige und über große Kälte Winters-Zeit gleichwohl denen Tannen / Fichten und Kiefern nichts abhaben / oder sie verderben könne.

Denn ob gleich die Aeste und Tangeln so sehr erfroren / daß sie gantz starre sind / und der Safft in dem Stamm durch und durch in lauter Eiß verwandelt ist / so schadet ihnen doch solcher Frost nicht sondern sie bleiben einmahl wie das andere grün bey ihren Kräfften und Wachsthum /

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/285&oldid=- (Version vom 20.8.2021)