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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

und darzwischen[WS 1] schwartze Körnlein / welches ohne Zweifel der Saame seyn soll.

Wie aber solcher anderwerts zu versäen / zum Aufgehen zu dringen / und zu verpflantzen / ist so viel bekant / noch nicht experimentiret worden.

Man hält dafür / daß diesen Saamen die Vogel auf die hohen Bäume tragen / dadurch die Mistel fortgepflantzet wird / dahero das Sprichwort entstanden:

Turdus sibi malum cacat.

§. 16. In naßen und morastigen Orten hat die Tanne keinen Wachsthum / sondern liebet vielmehr die Gebürge / wie auch davon VIRGILIUS Ecl. 7. also singet:

Fraxinus in sylvis, pulcerrima Pinus in hortis,
Populus in fluviis, Abies in Montibus altis.

Vor Zeiten ist dieser Baum dem Baccho gewiedmet gewesen / und haben die / so demselben geopffert / Kräntze davon auf dem Haupt und Zweige in den Händen getragen.

§. 17. Der Nutz der Tannen ist vielfältig / denn über dieses / daß man das Holtz zum Einheizen / Kochen und Brauen gebrauchet / so ist kein Holtz bey einem Gebäude zu Balcken besser / als die Tannen / denn es träget seine Last über Zwerg gar wohl / schicket sich auch zu Rinnen / Röhren und Brettern etc. ingleichen ist es sehr gut zu Schindeln / weil es leicht und sich wohl spalten läßet / zu allem und jeden Bau dienet es auch / wegen seiner Länge / Dauerhafftigkeit und Langwierigkeit ist auch gar beqvem zu Böttichen / Trögen / Keubel Scheflein und Bierfäßern / welche hernach gepichet werden.

Nicht weniger dienet auch das Tannen-Holtz zur Freude / indem es zu allerhand musicalischen Instrumenten / an großen und kleinen Geigen / Violinen / Clavicordien und zu derer resonanz-Boden gebrauchet wird / maßen hiervon die Heilige Schrifft auch Zeugnüß giebt / daß David und das gantze Hauß Ißrael für dem Herrn her mit allerley Seiten-Spiel von Tennen-Holtze gespielet habe.

Dahin auch zielet das Rähtsel des Poëten:

Vivens muta est, at mortua cantat,

D. i. Wenn es lebet / so ist es stumm / aber wenn es todt ist / singet es.

Oder:

Quae tacet in sylvis vivens, ea mortua cantat.

oder: Es lebt in Walde und ist stille / wenns todt ist / so singt es.

Sonderlich aber ist das Tennen-Holtz bequem zur Schiffarth / wie solches unter andern aus dem VIRGILIO. lib. 5. AEneid. erscheinet.

Furit immissus Vulcanus habenas,
Transtra per & remos, & pictas abiete puppes,

daher auch Abies oder Tanne vor das gantze Schiff genommen wird. Lib. 8. AEnaeed.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: darzischen
Empfohlene Zitierweise:
Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/291&oldid=- (Version vom 20.8.2021)