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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

und Winde / wie folgende Verse, beym VIRGILIO lib. 2. Georg. solches bezeugen:

Quantum vertice ad auras
AEthereas, tantum radice in Tartara tendit:
Ergo non hiemes illam, non flabra, nec imbres
Convellunt, immota manet &c.

D. i. Die Eiche wirfft ihre Wurtzeln so tieff in die Erde / so hoch als ihr Gipffel gehet / und kan sie weder Wetter noch Wind umwerffen sondern sie bleibet jederzeit unbeweglich stehen.

Dannenhero sie auch sehr groß und dicke wird / daß man sich billig darüber verwundern muß.

Es soll bey der Stadt Alt-Thoren eine alte Eiche / dabey die alten Preußen ihre Götzen-Dienste mögen gehalten haben / gestanden seyn / die so groß und dicke auch innewendig hohl gewesen / daß / als die Creutz-Ritter erst in Preußen kommen / sie sich solcher Eiche, als einer Festung gegen die Heyden gebrauchet, und sich daraus gewehret haben: desgleichen soll bey Melau sich eine andere dergleichen befunden haben / von solcher unglaublichen Größe / innewendig hohl und so weit / daß einer mit einem Pferde hinein reiten / solches darinnen tummeln / und herum werffen können / welches auch Marggraff Allbrecht / Hertzog in Preußen / verrichtet haben soll.

§. 10. Was Wunder ist es nun / wenn solche Eichen lange und fast unendliche Zeit stehen? PLINIUS schreibet von den großen Eichen / so in den Hercinischen Wäldern gestanden / daß solche wohl von Anfang der Welt her gewesen seyn müßen: und etliche muthmaßen daß die Wald-Bäume insgemein auf 1000. theils auf 3. 4. bis 500. Jahr / dauren können.

Wiewohl nun dieses auf bloßen Muthmaßungen beruhet / so ist doch hinwiederum gewiß / wenn ein dergleichen Baum sonsten keine Hinderniß hat / so kan er in viel Secula bestehen / wie man denn dießfalls / fidem historicam zur Gnüge vor sich hat / und aus der Größe und Stärcke / auch die Dauerhafftigkeit wohl zu judiciren stehet.

Wir wollen zwey Exempel uhralter Eichen aus der Heil. Historie anführen. Von einer Eichen bey Sichem, meldet daß erste Buch Mose / am 2. Cap. daß der HErr / dem Abraham / als er erst in Canaan kommen / und in Häyn More sich niedergelaßen / erschienen sey.

Bey dieser Eiche nahend Sichem hat JOSUA, als er sterben wollen / das Volck Israel zusammen beruffen / sie an den wahren GOttes-Dienst beständig zuhalten vermahnet / den Bund mit GOtt verneuert / und zu dessen Andencken einen großen Stein unter besagter Eichen aufgerichtet / Jos. 24 v. 26. Unter dieser Eiche ist auch ABIMELECH zum Könige von denen Sichemiten ernennet und gekrönet worden. Jud. 9.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/305&oldid=- (Version vom 20.8.2021)