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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

Der Apffel-Baum wächset in temperirten Landen / aber in heissen Orten ist er nicht wohl fortzubringen / dahero in Italien / Indien und Africa selber gar rar ist.

Im Schweitzerland und gegen Genff giebt es viel wild Obst / daraus das Getränck Cyther in großer Menge gemacht / und dem Wein gleich aestimiret wird. Denn aus den wilden Obst / als Holtz-Birn / Aepffel / Holunder-Ebisch-Beeren / Schlehen etc. werden allerhand Geträncke / Säffte / Latwergen und Extracte bereitet / dahero fast nicht zu glauben wie hoch ein wilder Obst-Baum in Franckreich / Italien und Engelland / wenn er wohl Früchte träget und etzliche Eymer Cyther daraus gemachet werden können / zu nutzen / dergleichen Nutzung man ohne Zweiffel bey hiesiger Landes-Art auch haben könte / indeme der Boden sonsten ziemlich zum Obst-tragen aptiret ist.

§. 4. Der wilde Kirsch-Baum wird von Lateinern Cerasus genennet / weil dafür gehalten wird / daß der streitbare Römer L. Lucullus solchen von der Stadt Cerasunt in der Landschafft Ponto gelegen / nach dem langwierigen Kriege so er mit dem König daselbst dem Mithridate geführet / in Italien bracht habe / wie Athenaeus schreibet.

Woraus denn zuschliessen / daß aus Orient auch andere Früchte durch Fleiß und Arbeit in Europa fortgepflantzet worden / wie denn auch bey uns solche Orientalische / und Americanische Bäume und Früchte / daran es dem Lande noch mangelt / gleichergestalt können fortgebracht werden / wenn wir nur die Handgriffe nach und nach lernen wolten.

§. 5. Die Kirsche ist das allererste Obst so im Früh-Jahr reiffet / also, daß man solcher so zureden wohl das Boten-Brodt schuldig ist, weil sie die fröliche Zeitung bringet / daß die Fruchtbarkeit zu menschlicher Nahrung und Unterhalt wieder in das Land angekommen sey / und verkündiget uns seine frühzeitige Blüthe / nicht allein die holdseelige Frühlings-Zeit / sondern auch den frucht-tragenden und reiffenden Sommer.

Der wilden Kirsch-Bäume sind unterschiedliche Arten / roth / weiß / schwartz / gelblich, bräunlich, graulicht auch groß und klein, süsse und sauer.

Der Baum dieser wilden Frucht, sonderlich der schwartze, ist einer von den aller profitabelsten / denn er wächset schneller daher / als sonst kein Baum / und kan gar wohl zu Ober-Holtz gebraucht werden.

Er wird starck am Stamme / und giebt seine Früchte jährlich dabey / stehet auch an kalten Orten und kan den Nordwind gar wohl vertragen / dahero man sonderlich darauf bedacht seyn solte / solchen in Menge und in allen Wäldern aufzubringen. Er ist leichtlich zu zeugen / und wenn er einmahl gepflantzet / vermehret er sich bald selbst / bekommt an der

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/325&oldid=- (Version vom 20.8.2021)