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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

mimima est eorum, quae ignoramus.

d. i. Unsere gantze Wissenschafft und Kunst ist das wenigste von dem so wir nicht wissen.

Man solte zwar billig mit allen möglichen Fleiß / und nachdrücklicher Uberlegung in den grossen Welt-Buche der Natur dieserwegen studiren / und nicht allein der Bäume äußerliche Gestalt / innerliche Form, Signatur, Constellation des Himmels / darunter sie grünen / sondern auch die matricem oder Ort / und dessen natürliche Wirckung / in welchen der Baum stehet / erkundigen / weil solches alles nach der Differenz eines jeden Baumes Eigenschafft / und derer in denen visceribus terrae vermischten mineralien / sehr variiret.

Denn wann diese letztern sich in die Wurtzeln vermittelst der Feuchte und Wärme eindringen / so werden sie darinnen exaltiret / und stehen in einer solchen coction, daß sie dem Baum Kräffte zum Wachßthum und zum Herfürbringen derer Früchte geben / sonderlich wenn die Mineralia mit einander wohl conveniren / und von der Eigenschafft des Baumes nicht abstimmen.

Diese und dergleichen observationes aber / ob sie zwar unendlich sind / so scheinet doch bey Eingang dieses Wercks nöthig zu seyn / einige wenige Betrachtungen und Nachdencken von der Eigenschafft derer Bäume und Stauden zupflegen / und dem geneigten Leser zu mehrern Uberlegung und Nachsinnen Gelegenheit an die Hand zugeben.

§. 2. Bey ieder Art Holtzes hat die Natur ihre von Göttlicher Allmacht determinirte und distinguirte Würckung zu vollbringen / und kan ohne dieselbe aus der Erden keine nutrition oder vegetation verbracht werden / wovon zwar / wie es sich zuträget / man nichts positives anmercken und sagen / noch viel weniger derselben principia völlig und distinct ausfinden kan / indem dergleichen physicalische Dinge meist in Experimenten / und in Folgerungen bestehen, so theils von der Natur selbsten zu erholen und zu erlernen / und dennoch die allerwenigsten zu ergründen sind / sondern man hat sich nur darüber zu verwundern / und zu ergetzen.

§. 3. Wir bedürffen hiervon keinen grossen Beweiß / die Erfahrung giebts / daß an dem Feigen-Baum die Rinde / das Holtz / der Safft / die Wurtzel / und alles bitter sey; gleichwohl träget derselbe eine von denen süssesten Baum-Früchten / welches man wohl nicht anders / als ein sonderbahres Natur-Wunder betrachten kan. Ein Gewächse ziehet eine Säure / ein anders eine Süßigkeit; wiederum ein anders eine Bitterkeit; ein anders eine Artzney; und dagegen ein anders einen starcken Gifft / binnen einen wenigen Bezirck / aus einerley Erdreich an sich / und theilet es dem Stamm / denen Früchten und Saamen mit. Ich geschweige allhier der vielerley Farben / und Geruchs / so die Gewächse aus einerley Grund

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/37&oldid=- (Version vom 9.6.2018)