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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica

Erde kömmt / Feuchtigkeit an sich ziehe / durch solche / wie auch vermittelst der Wärme und der Lufft sich aufblehe / und endlich aufbreche / und wo er am spitzigsten ist / Wurtzeln von sich werffe / und niederwerts damit in die Erde gehe.

Hernach zeiget sich auch das Stämmlein an der andern Seiten / und wenn es von der Wurtzel Nahrung haben kann / so erhebet er sich von Zeiten zu Zeiten empor.

§. 22. Warum aus denen besten Obst-Kernen oder Saamen alle Bäume wild werden / ist auch eine sonderliche Vorsehung Gottes.

Denn aus denen Kernen der vortrefflichsten Früchte / wird ein wilder Apffel- Birn- oder Kirsch-Baum und so fort / träget auch wilde ungeschmacke und saure Früchte: hingegen von den Aestlein und Sprossen derer guten Obst- oder zahmen Bäume / werden eben dergleichen gute und zahme Früchte auch auf denen allerwildesten Stämmen erzeuget.

Woraus dann außer Zweiffel gnugsam erhellet / wie es Gottes sonderbahrer Wille sey / daß auch die Natur selbst den Menschen anstrengen soll / ihr behülfflich zu seyn / wovon unten bey den Capitel von Saamen ein mehrers angemercket werden wird.

§. 23. Die Wurtzel nun / welche obbesagter massen aus dem Saamen herfür sticht / ziehet nicht allein das Regen-Wasser an sich / sondern auch andere Wasser und Feuchtigkeiten / Ausdämpffungen / Fettigkeit und Dünste der Erden / und sauget solche in sich / gleich wie ein junges Thier oder Mensch aus seiner Mutter-Brust sich nehret / daher / wenn man todte oder andere unartige Erde an einen Baum schüttet / so muß der Baum verderben / weil er die unartige Feuchtigkeit / so er daraus an sich ziehet / nicht vertragen kan / als welche ihm zuwieder ist.

Jedoch hat der wundergütige GOtt die Wurtzeln mit einer Haut umgeben / daran sich die Wasser läutern / und also nicht trübe in die Stämme sich ziehen mögen. Aber wenn die Erde gifftig / oder wie gedacht todt ist / so bleibt die malignität in Wasser / es sey solches trübe oder klar.

§. 24. Es wollen etliche Naturalisten statuiren / je wenigere und kürtzere / jedoch gute Wurtzeln einem Baume im Versetzen gelassen werden / je eher und besser Fortkommens er habe / gegen dem / wenn man ihm lange und viele Wurtzeln lasse; Und zwar wollen sie solches aus einer langen und sichern Experienz haben.

Die ratio unter andern soll seyn / daß die vielen Wurtzeln anfänglich nicht selbst gnugsame Nahrung aus der Erden erlangen und haben / vielweniger dem Stämmlein geben

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Hans Carl von Carlowitz: Sylvicultura oeconomica. Johann Friedrich Braun, Leipzig 1713, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Sylvicultura_oeconomica.pdf/46&oldid=- (Version vom 21.5.2018)