Seite:Tagebuch Russlandfeldzug 0018.jpg

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Eintritt in Westgallizien Grenze des sonst zu Pohlen gehörig gewesenen, seit 1795. an Österreich gefallenen, und durch den Friedensschluß 1809. wieder an das Herzogthum Warschau abgetretenen WestGalliziens. –

     Opoczno[1] ist die erste bedeutende Stadt, die man auf dieser Tour erreicht, woselbst wir vom 18ten bis zum 21.ten April im Cantonnement verweilten. In alten Zeiten nach damaliger Art als Opoczno. eine bedeutende Festung geltend, ist sie durch die Verheerung und Einäscherung Königs Carl XII. von Schweden[2] zu einen Steinklumpen herabgesunken, der, Troz der langen Vergangenheit sich noch nicht aus seinen Trümmern hat wieder empor heben können.

     Ausgebrannte massive Häuser von mehrern Stockwerken, viele ohne Bedachung, deren Mauern dem sonst so zerstörenden Zahne der Zeit noch jezt trozen, und wovon mehrere ganz evacuirt, andere hingegen blos par terre oder höchstens im ersten Geschoß bewohnt sind, große gewölbte, zum Theil eingestürzte und schlecht verwahrte Keller, Breschen an den Stadtmauern und demolirte Festungswerke sind es, die dem Beobachter ein lebhaftes Bild vormaliger Größe und Wohlstandes, und jezigen Verfalls und Dürftigkeit darstellen. Blos die außerhalb den Ringmauern gelegenen Vorstädte sind nach der gewöhnlichen Bauart, meist par terre wiederhergestellt. Ein Theil davon, welchen die JudenGemeinde bewohnt, ist durch eine auf hohen Stangen quer über die Gaße gezogene Leine als das JudenQuartier marquirt.

Nach unserm Wiederaufbruche von Opoczno passirten wir die kleine Stadt Przysucha[3] wo viele Gewehre fabrizirt werden, Ilza[4] mit einen, auf einen hohen Berge gelegenen alten Schlosse und hohen runden Thurme, in Form der, in den Ritterzeiten üblichen Warthen, Cassanow[5], und trafen den 23. April. in dem Städtchen Ciepelow[6], dem Grafen Karzewsky[7] gehörig, ein, woselbst und in den Umgebungen ein Theil des Regiments, der andere aber längs der Weichsel bis zum 17ten Maii 1812. cantonnirte. –

Während dieser Zeit hatte ich mehrere Gelegenheit, über Gegenstände

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Opoczno – siehe Opoczno
  2. durch die Verheerung und Einäscherung Königs Carl XII. von Schweden – im Großen Nordischen Krieg vom Schwedischen König Karl XII. vermutlich auf seinem Feldzug gegen die Polen und Sachsen zwischen Mai und Juli 1702 auf dem Weg nach Krakau zerstört.
  3. Przysucha (aus Przyczsucha verbessert) – polnische Stadt, 35 km westlich von Radom
  4. Ilza – das heutige Iłża
  5. Cassanow – das heutige Kazanów, Dorf in Masowien
  6. Ciepelow, Cieplow – das heutige Ciepielów
  7. Karzewsky – vermutlich der Sohn von Jan Karczewski (1745-1810), Marschall des Warschauer Lands in der Konföderation von Bar
Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0018.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)