Seite:Tagebuch Russlandfeldzug 0046.jpg

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Judenschaft durchaus nichts zu bekommen, und ist man sonst etwas benöthiget, was er nicht selbst in seinem Vermögen hat, so kann man bei einem versprochenen kleinen Rabbat bestimmt darauf rechnen, daß er es herbeischaft, wenn es nur irgend aufzutreiben ist.

So strenge übrigens der hiesige Israelit das mosaische Gesez, und fast bis zur Übertreibung beobachtet, so gewißenlos ist er im Handel und in seinem übrigen Betragen. Für Waaren darf man ihm nur 1/3 des Gebots zugestehen, und selten wird er den Käufer gehen laßen, wehe hingegen den, der sich ihn in Geschäften, ohne vorher ein Übereinkommen mit ihm getroffen zu haben, unbedingt überläßt. Für Geld ist ihm alles feil, ja ersezt Leben und Freiheit darüber aufs Spiel, so feig und zaghaft er auch sonst von Caracter ist. – Er dient als Kundschafter dem Freund wie dem Feind, und sucht sich in Handels- und Marquedenters Geschäften bei ihm einzuschleichen. Ihre ausgebreitete Bekanntschaft unter ihren Glaubens Genoßen dies- und jenseits wohnend, und ihre Sprachkenntniße erleichtern ihnen diese Geschäfte sehr, und der Lauf der Campagne 1812. hat in einzelnen Fällen bald zum Vortheil bald zum Schaden gewürkt. Der größte Theil der pohlnischen Juden ist mehr arm als unbemittelt, und es erregt Verwunderung, wie ein großer Theil derselben bei einer oft zahlreichen Familie in dem bedrängten Jahre 1812. nur ihr Leben haben hinfristen können; Wahrscheinlich genießen sie Unterstüzung von den Bemitteltern. Sie sprechen außer der pohlnischen Sprache noch durchgehends deutsch und ein großer Theil auch Rußisch. Sie haben in jedem Ort wo sich eine Gemeinde befindet, ihre Bethäuser und besondere Begräbnispläze mit horizontal perpendicular stehenden Denkmälern hebraischer Inschriften. –

Empfohlene Zitierweise:
F. W. Winkler: Bemerkungen über den Feldzug gegen Rußland in den Jahren 1812 und 1813., Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tagebuch_Russlandfeldzug_0046.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)