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geschmeichelt gefunden hätte. Unter Freude, Freundschaft und Liebe verging der Tag; die Trauung wurde verabredet und auf die nächste Woche festgesetzt; alles schien in Richtigkeit zu seyn, als auf einmal das ganze Vorhaben scheiterte.

Crescentia war für diese Verbindung mehr überredet als gewonnen. Sie empfand für Bernhard zwar Achtung, aber keine zärtliche Zuneigung, vieles mißfiel[1] ihr sogar an ihm, selbst sein Name. Je näher der Tag der Vermählung heranrückte, desto schwieriger wurde sie, fing an ihrem bevorstehenden Glücke zu zweifeln an, und empfand zuletzt Anwandlungen von Angst und Widerwillen. Nach einem heftigen Kampfe mit sich selbst, faßte sie den Entschluß, auch dieses Band wieder zu zerreissen. Ihrem Vater sagte sie nichts davon, denn sie fürchtete seinen Zorn. Also wendete sie sich schriftlich an den Bräutigam selbst, und gab ihm, wiewohl mit der größten Schonung und mit einem Schwall süßer Worte, zu verstehen: „Daß sie nicht hoffen könne, ihn so glücklich zu machen, als er verdiene.“ – Uebrigens bat sie ihn noch „um die Großmuth, die Sache noch geheim zu halten, und öffentlich selbst den ersten[2] Schritt zur Aufkündigung zu thun. Sie setze sich darüber hinweg, vor den Augen der Welt als eine verschmähte Braut zu erscheinen.“ – Das war ehrlich genug, aber niederschmetternd


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Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_030.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)