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Wie gewonnen, so zerronnen.

Die karge Klaudia, die nur dem Wucher lebte,
Und einzig ihren Schatz zu mehren sich bestrebte,
Die sträflichen Gewinn hohnlachend sich erwarb,
Als mancher arme Mann in Noth und Hunger starb,

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Dieß kluge Weib ward krank, und ließ den Arzt berufen,

Weil Gicht und Magenkrampf ihr große Schmerzen schufen.
Der Arzt erschien, doch sie, noch sicher in Gefahr,
Und weil sie selbst im Tod dem Spiel gewogen war,
Fiel ihm in’s Wort und sprach: „Sie müssen bei mir bleiben,

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Und durch ein Kartenspiel mir Zeit und Schmerz vertreiben.

Sie spielten ziemlich hoch, der Arzt verlor sein Geld,
Und wollte weiter geh’n. Doch die Verschmitzte hält
Ihn bittend auf: „Sie seh’n, ich muß mein Ende fühlen,
Wir wollen um den Werth der Leichenkosten spielen.“

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O schnödes Kartenglück, wie ungerecht bist du!

Was du dem Einen nimmst, wirfst du dem Andern zu.
Der unbesorgte Mann muß gegen sie verlieren,
Und für den ganzen Werth des Leichenprunks quittiren.
„Nun, rief sie, sterb’ ich gern, mein Haus ist wohl bestellt,

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Und mein Begräbniß auch; doch, um das baare Geld,
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_068.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)