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O Probe voller Angst! Wer opfert sich der See?
Das Leben liebt Montan, doch liebts auch Lalage.
Allein für Beide nicht ist Rettung zu vermuthen,
Wenn Eines leben soll, muß Eines in die Fluthen.

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Wer denkt des Schwurs nunmehr? Gewiß Montan; doch nein!

„Ich, rief nun Lalage, will dich vom Tod befrei’n.
Doch, daß du weißt, wer dich gerettet vom Verderben,
So stoße mich in’s Meer.“ – Montan, nicht selbst zu sterben,
Stößt, ach, das zärtlichste, das treuste Herz hinab!

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Doch, edle Lalage! zu edel für dieß Grab,

Die See fühlt deinen Werth, und läßt es dir gelingen,
Und weiß auch ohne Bret dich an den Strand zu bringen.

Hier trifft die Herrliche den schwurvergeßnen Mann.
Er kniet vor ihr, er fleht. „O, spricht sie, geh, Montan!

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Ich habe dich geliebt, dich durch das Meer begleitet,

Das Leben dir geschenkt, du mir den Tod bereitet.
Verlaß auf ewig mich, weil mich ein Herz betrübt,
Das in der Ruhe zwar, doch in Gefahr nicht liebt.
Sey stets beglückt, Montan! Dich werd’ ich niemals hassen,

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Bestrafen will ich dich!“ – Drauf hat sie ihn verlassen.



Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Neuffer (Hrsg.): Taschenbuch von der Donau 1824. Stettinische Buchhandlung, Ulm 1823, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Taschenbuch_von_der_Donau_1824_073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)