Seite:Temme Die Volkssagen der Altmark 055.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

den deutschen Heeren in den Türkenkrieg, um den Erbfeind des christlichen Glaubens besiegen zu helfen. Dort ging es ihm indeß sehr schlecht, er wurde gefangen und als Sklave verkauft. Er kam als Gärtner zu einem vornehmen türkischen Herrn. Die Tochter dieses Türken kam oft in den Garten, in welchem er arbeitete, und sah ihn, und hatte ihr Gefallen an ihm, weil er ein sehr schöner und schmucker Herr war. Sie fühlte auch bald Mitleiden mit seinem Unglücke, und endlich hatte sie ihn in ihrem Herzen so lieb gewonnen, daß sie nicht mehr von ihm lassen konnte. Der Ritter merkte das Alles wohl, und obgleich er seine Gemahlin mit seinem ganzen Herzen liebte, so war er doch auch der Türkentochter gut, weil er nur durch ihre Hülfe hoffen konnte, seine Freiheit zu erlangen, und seine Hausfrau, seine lieben Kinder und seine Heimath im Leben wiederzusehen. Deswegen ließ er sich mit ihr ein, und er versprach, sie neben seiner Gemahlin zu heirathen, wenn sie ihn befreien und zu dem christlichen Glauben übertreten wolle. Dazu war sie gern bereit. Sie entfloh glücklich mit ihm aus seiner Sklaverei; in Deutschland wurde sie eine Christin und dann durch die Dispensation des Papstes seine Hausfrau.

Es war gerade auf Grünen Donnerstag des Mittags, als der Ritter mit seiner gewesenen Türkin auf seinem Schlosse zu Aulosen ankam. Seine deutsche Hausfrau und seine Kinder saßen am Mittagstisch und aßen Erbsen und Stockfisch. Sie freueten sich sehr, wie sie ihren Herrn und Vater wieder sahen, den sie todt geglaubt hatten, und die erste Frau nahm die mitgebrachte zweite mit Freuden neben sich auf. Beide Frauen wurden die besten, verträglichsten Freundinnen, und blieben dies bis an ihr seliges Ende. Das Bildniß der Türkin wird noch unter den Jagowschen Familiengemälden gezeigt; sie ist danach ganz ausnehmend

Empfohlene Zitierweise:
Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_055.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)