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Abergläubische Meinungen und Gebräuche.

In der Altmark hat man auf dem Lande einige besondere Hochzeitsgebräuche, mit denen Meinungen über das künftige Schicksal der jungen Eheleute enge verbunden sind. Die Ausrichtung der Hochzeit z. B. geschieht auf demjenigen Hofe, auf dem das Brautpaar künftig seinen Wohnsitz nehmen wird, also in der Regel auf dem des Bräutigams. Kommt nun die Braut auf diesem an, welches zu Wagen geschehen muß, so wirft sie, über die Leitern des Wagens hinweg, sich dem Bräutigam in die Arme, der sie, um den Leib gefaßt, schwebend, ohne daß ihre Füße die Erde berühren dürfen, ins Haus, bis an den Feuerheerd tragen muß. Dort steht eine Suppe fertig, in welche von Allem, was in der Wirthschaft vorkommt, von der Pferde-, Kuh- und Schaafkrippe etwas hineingemischt sein muß. Wenn diese Suppe nun gut „mündet“ (mundet), so gedeihet die künftige Wirthschaft gut. Im anderen Fall sieht es schlecht damit aus.

Wenn die Suppe verzehrt ist, zieht man mit voller Musik in die Kirche, wo die Trauung vollzogen wird. Während derselben bemühet sich die Braut, zwar so unmerklich als möglich, aber doch aus allen Kräften, den Bräutigam auf den Fuß zu treten; glückt ihr dieß, so ist sie sicher, daß sie künftig die Herrschaft im Hause bekommen

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_073.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)