Seite:Teutsche satyrische Gedichte Wolfenbuettel.djvu/3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Vorbericht.

Geehrter Leser!

Das Schicksal der Poeten ist manchesmal betrübt. Ihren Kindern geht es oft nicht zum besten. Insonderheit machen die Straf-Gedichte gemeiniglich Haß und Verfolgung. Diese Erbitterung ist so lange nothwendig, so lange die Wahrheit unverschuldet eine Mutter der Feindschaft und die Sünde ungerochen bleiben soll. Die Lauge beißt. Sie beißt so scharf, als es möglich ist. Wer kan alsdenn das Schreyen lassen? Die Patienten sind rar, welche alle Folgen ihrer Blindheit so geduldig ertragen können, so großmüthig Passeratius bey dem Verluste seiner Augen that. Gutherius würde ankommen, wenn er ihnen etwan eine verdächtige Lobrede halten wolte. Zenon zerbricht sich nur einen Finger und wird darüber so toll und rasend, daß er durch Strick und Hunger stirbt. Wie stürmisch muß der Wiederwille bey denen seyn, welchen das Messer so gar an die Kehle will?

Die Laster würgen ist eine Arbeit, welche da, wo sie wohnen, ausschweifende Empfindungen verursachet. Diese wiedrige Empfindungen unterdrücken die Liebe zu sich selbst. Briontes bekommt einen Schlag über den Kopf. O wie schäumt er! o wie knirscht er mit den Zähnen; ob ihm gleich das Gehirn durch solchen Luft-Streich gerade an den Ort versezt wird, wohin es gehöret. So ohnmächtig ist der Mensch

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)