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Andere Satyre.
Der vortheilige Mangel.


Gleich wie ein reifes Obst mit süß und saur vermenget,
So ist des Menschen Lust mit Bitterkeit gesprenget.
Wer gern den Honig klaubt, und schöne Rosen bricht,
Muß leiden daß der Dorn und daß die Biene sticht.
Und wie ein treflich Bild nicht nach dem Leben stehet,
Es sey denn durch die Kunst mit Schatten recht erhöhet;
So kan auch keine Lust noch Freud empfindlich seyn,
Sie sey denn nach der Maß gemildert durch die Pein.
Wie kan des Menschen Hertz doch grösser Lust empfinden,
Als Amors süsse Glut, wenn Hertzen sich verbinden
In zweyen eins zu seyn? Noch sieht man in der That,
Daß dieser Honigseim auch etwas Gallen hat.
Ich weiß es sollen mir der Wahrheit Beyfall geben,
Auch die nach ihrem Wunsch in Venus Reiche leben,
Daß ihre süsse Glut nicht wohl zu brennen pflegt,
Wo Neid, Gefahr und Furcht, nicht Stroh und Holtz zuträgt.
Man findet aber Volck, das keinem Guten trauet,
Das an den Rosen nichts als nur den Stachel schauet;
Ein Volck das auch verflucht der Sonnen helles Licht,
Im Fall sie etwas heiß den tollen Bregen sticht;
Ein unglückseligs Volck, daß man mit Freud und Lachen
Kan traurig und betrübt, mit Singen weinend machen.
Sagt Jemand: Last uns gehn spatzieren in den Wald,
Die Wohnung aller Zier, der Nymphen Auffenthalt.

Empfohlene Zitierweise:
Joachim Rachel: Teutsche Satyrische Gedichte. Christian Ludewig Kunst, Berlin 1743, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Teutsche_satyrische_Gedichte_Wolfenbuettel.djvu/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)