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Niedergeschlagenheit, der sich immer wieder nahen möchte. Ich habe hier viel Schönes in dem Büchlein von Luther gefunden: „Trost wider allerlei Traurigkeit.“ Auch Adolf Monods Leben, das ich hier gelesen, hat mir viel gegeben... Mir sollen meine Jugendideale nie erbleichen, es soll nur alles wahrhaftiger und wirklicher werden. Wir lasen heute den Anfang des Epheserbriefes, Schwester Charlotte und ich (sie kam gestern auf einen Tag herüber), welch eine Herrlichkeit tut sich da auf! Unser lieber seliger Herr Rektor sagte einmal, die römische Kirche stünde noch vor dem Römer- und Galaterbrief und unsere Kirche vor dem Epheserbrief. Als ich das neulich unserm jetzigen Herrn Rektor erzählte, sagte er, man müsse den Epheserbrief ganz im Zusammenhang mit der Offenbarung lesen.

 Ich hatte heute nacht solch einen schönen Traum: unser seliger Herr Rektor schickte sich an, uns eine Pfingstpredigt zu halten, und sprach mit mir davon. Ja, er wird wohl über uns und mit uns um neues Geisteswehen bitten, und wir wollen fröhlich sein, daß diese Bitte vor andern zweifellose Erhörung findet.

 Es beschäftigen uns viele Fragen: Brüderanstalt, ob etwa das Schloßgut Polsingen angekauft werden soll (ich halte es jetzt nicht an der Zeit), ob die Wasserleitung eingerichtet werden soll, ob in Himmelkron elektrische Beleuchtung eingerichtet werden soll etc. Gott schenke uns Weisheit und tiefe Ruhe.

 Gott behüte Dich! Deine alte Gefährtin auf dem Pilgerwege

Therese.


An Schwester Selma Trautwein.
Neuendettelsau, 21. Okt. 1893

 Liebe Schwester Selma, wir hatten sehr bewegte Tage in dieser Woche! Am Montag feierten sieben Schwestern Jubiläum, drei in Dettelsau; am gleichen Tag wurde der Neubau des Blödenhauses eingeweiht. Am Dienstag wurde in aller Kleinheit die Brüderschule mit fünf Brüdern eröffnet. Es ist ein neues, verheißungsvolles Zweiglein, das hiemit angesetzt wurde.

 Allen Schwestern herzlichen Gruß.

In treuer, mütterlicher Liebe Deine Therese.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/110&oldid=- (Version vom 22.8.2016)