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An Schwester Elisabeth von Oldershausen.
Neuendettelsau, 4. Juli 1902

 Meine liebe Elisabeth, wir haben so viel und Großes erlebt. Es war der 28. Mai so schön und erhebend, wie ich mich noch keinen erinnere. „Laß dir an meiner Gnade genügen“, darüber predigte Herr Rektor am Morgen. Am Abend traf uns die Nachricht, die in unsere etwas sorgenvolle Zeit hinein von Gott mit väterlicher Güte und zarter Fürsorge vorbereitet war, daß wir eine nicht unbedeutende Erbschaft in Regensburg gemacht haben.

 Und am Sonntag, da wurde unser schönes Erholungshaus eingeweiht. Ich fuhr mit den Eselein hinüber. Herr Rektor ließ einen Stein in die Mauer einfügen mit den Worten: caritate caritati exstructum – aus Liebe der Liebe erbaut. Daran schloß er seine Ansprache.

 Gestern abend spät kam Herr Direktor v. Schwartz und heute morgen eilte er von dannen, hinterließ uns aber die für uns schwere Sache: wenn wir Schwester Auguste Hensolt zum Jubiläum hier außen wünschen, dann muß noch diesen Herbst eine Schwester nach Indien!

Deine Therese.


An eine alleinstehende Schwester.
Neuendettelsau, 5. Aug. 1902

 Meine liebe Schwester Marie, seit ich vor mehreren Wochen in Hof war, trage ich eine Sorge um Deinetwillen mit mir herum. Schwester L. sagte mir, Du wärest furchtsam, weil Du allein schläfst. Das begreife ich sehr gut, und es ginge mir ebenso. Ich finde es auch geradezu unpassend, daß eine junge Schwester in dem abgelegenen Haus allein ist, und ich muß mich darum anklagen, daß ich es nicht schon längst abgestellt habe. Schreibe mir nun, ob Du bald in Ferien hieher kommst; dann könnten wir mündlich über die Sache reden. Ist das nicht der Fall und bist Du noch nachts allein, dann gehe zu Herrn Pfarrer und sage ihm, daß ich das nicht mehr wünsche und daß ich ihn bitte, er möchte sorgen, daß nachts jemand bei Dir schläft.

 Nächsten Sonntag ist unsere Kirchweih, und für Montag ist eine Schwesternkonferenz anberaumt. Bete, daß der Geist

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Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/151&oldid=- (Version vom 17.10.2016)