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Versucher will uns an der Außenseite der Arbeit haften lassen. Gestern im Abendgottesdienst hielt Herr Rektor eine Ansprache über: „Ich habe wider dich, daß du die erste Liebe verlässest“, und mir war gerade an dem Tag das Wort so in die Seele gefallen: „Du hast den Namen, daß du lebest, und du bist tot.“

 Gott behüte Dich! Der Herr Jesus stelle in Dir und mir Sein Bild her.

Deine Therese.


An die Schwestern in Vohenstrauß.
Jakobsruh, 1. n. Epiphanias 1904

 Mein liebes Vohenstrauß, ich bin hier auf der Jakobsruh. Da wollen wir heute nachmittag noch den Haager und Reuther Kindern bescheren. Ich getraute mich in der Festzeit nicht auf so lange fort, weil wir täglich und stündlich auf den Heimgang unserer lieben Luise Gürsching warteten. War das eine merkwürdige Festzeit, die ich diesmal mit meinen Nichten, Luisens Schwestern, erleben durfte! Dieses Kranken- und Sterbelager wird uns unvergessen bleiben. Was ist es doch um eine Seele, die von der Gnade ganz erfaßt ist! Was in einem langen Leben nicht erreicht wird, das wird dann in kurzer Frist geschenkt. Ihr lieben Schwestern, laßt uns beten, daß wir ganz Kinder der Gnade werden.

 Wir hatten eine reich gesegnete Festzeit. Und Gott stärkte auch unsern teuern Herrn Rektor, daß er immer wieder freudig seines Amtes walten konnte. Am 2. Januar geleiteten wir die sterbliche Hülle unserer Luise zu Grabe. Herr Rektor hielt die Leichenpredigt über die Worte: „Wir haben Seinen Stern gesehen und sind gekommen, Ihn anzubeten.“

 Gleich nach den Festtagen berief Herr Rektor eine Versammlung, um mit ihr über das Jubiläum zu beraten. Wir wollen es recht einfach nach außen begehen, aber innerlich wollen wir uns jetzt schon rüsten, um mit tiefer Buße und heißem Dank den Tag zu begehen. Wir alle haben unsere sündigen Spuren dem Werk eingeprägt und haben alle unaussprechlichen Segen in Dettelsau empfangen.

 Gott behüte Euch, meine lieben Schwestern!

Eure Euch innig verbundene alte Mutter.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/155&oldid=- (Version vom 17.10.2016)