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Schwester Marie Morneburg ausgehend, der auf ein Zeichen des göttlichen Wohlgefallens zu warten hatte. Da krieg ich am Sonntag abend von einem Pfarrer, den ich nicht kenne, einen Brief des Inhalts, es sollte doch für die bayerischen Pfarrerstöchter etwas geschehen, sie sollten ein Asyl, ein „Vaterhaus“ haben, dahin sie sich flüchten könnten. Er habe den Gedanken einer Dame mitgeteilt, die habe ihm 100 Mark dazu gegeben. An Adolf[1] habe ich geschrieben, da habe ich ihm mitgeteilt, daß ich mich mit Gedanken trüge, die sich mit den seinigen berührten, wie wunderbar! Daß Gott auf ein leises Geflüster Seiner Kinder gleich so antwortet: Trage die Sache auch auf dem Herzen und bringe sie vor Gott. Ein anderes Mal schreibe ich mehr darüber. Ich grüße alle recht schön. Und habe nur immer Mut und Vertrauen und unversiegbare Freude. Am Montag, so Gott will, reise ich nach Willmars. Gedenke mein.

Deine ältere Schwester.


An ein junges Mädchen.
Neuendettelsau, 18. Januar 1884

 Mein liebes Kind, nun grüße ich Dich auf Deiner neuen Station, die eine Vorstation für den Diakonissenweg sein wird – nicht wahr; Nun koch und sied und brate, und versalze und verbrenne nichts, und koch alles mit Liebe, denn ich behaupte immer, das spürt man, wenn die Speisen auf den Tisch kommen.

 Mein liebes Kind, nun laß Dich an mein Herz nehmen, und Du sollst mir auch immer alles sagen können, was Dich bewegt und drückt. Ich glaube, ich habe Dir noch nichts geschrieben auf Deine Klage hin über die Gefallsucht. Mit einem Male ganz brechen, das geht nicht, mein Kind. So ist’s uns von Gott geordnet, daß wir müssen täglich und stündlich im Kampfe leben und unter viel Demütigung den Heiligungsweg gehen. Aber das ist unser Trost: es kann uns nichts schaden, wenn wir nur fest an Jesu hangen bleiben und uns immer unter den Einfluß Seines heiligen Blutes stellen. Manche derartige Versuchung weicht auch mit den Jahren. Schau auf Jesum am Kreuz und stell Dir Seine heilige Schmerzensgestalt vor, da muß die Eitelkeit weichen.


  1. Ihr Bruder, Präsident des Oberkonsistoriums.
Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)