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wir uns hoch wundern müssen – eine solche Einmütigkeit erbeten und also auch erwartet, die so klar und rein und innig ist wie die Einigkeit des Vaters mit dem Sohn. Das wird ja auf Erden nie völlig erreicht werden, aber bitten sollen wir alle darum, und der lautere Wille soll unter uns sein, das innige Gebet: „Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, das in Wahrheit allem absagt, was dein Gebet aufhält und des Satans Streben fördert.“ Oft suchen wir da und dort die Ursache des Unfriedens, und im letzten Grund ist’s doch der böse Feind, dem wir alle Tage entsagen sollen und wollen, daß er keine Macht an uns finde.

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 Das werden sich ja alle Schwestern, besonders die älteren, schon oft klar gemacht haben: was Gott an dieser Gemeinde getan hat, das ist so unaussprechlich groß und herrlich, so über alle Maßen, daß wir wohl alle miteinander eine dankbare, glückliche Gemeinde sein sollen. Was hat Gott an uns getan, daß er ohne Unterbrechung uns hat treue, fromme, klare Führer gegeben, verschieden in ihrer Gabe, verschieden in ihrer Weise und doch ganz eins und auf einem Grund. Und wir, wir haben alle viel gesündigt, die einen so, die andern so. Wir haben alle Buße zu tun und uns vorzunehmen, daß wir mit größerem Dank, mit größerer Demut, mit größerem Gehorsam all das annehmen wollen, was Gott durch Seine Knechte uns sendet. Was dann mit unserer Gemeinde einmal noch werden wird, – niemand weiß es. Die Schwestern, die sich die Dinge überlegen, werden ja auch sagen: Kann das Werk immerzu wachsen und immerzu schließlich doch den wenigen Persönlichkeiten, die die Führung haben, die fast unerträgliche Last auf die Schultern legen? Aber das wird Gott auch versehen. In früheren Jahren hat man ja oft von einer Teilung gesprochen. Jetzt treten andere Fragen so in den Vordergrund, daß es gar nicht möglich ist, diese Frage, die Ruhe und Besinnung erfordert, zu überlegen. Wir können nur immer und immer wieder alles in Jesu Hände legen, daß Er der König und Herr sein wolle über uns, über die ganze Gemeinde, über jede einzelne Seele. Daß uns jetzt solche Schrecken vor Augen gestellt sind – Mitau und Riga und Petersburg und was sonst noch alles in der Welt vor sich geht –: wir müßten ja blind sein, wenn wir uns nicht

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/247&oldid=- (Version vom 24.10.2016)