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An Schwester Frieda von Soden zu einem Treffen der früheren Kitzinger Haushaltungsschülerinnen.
Neuendettelsau, 6. Sonntag nach Trin. 1921

 Meine liebe Schwester Frieda, nun naht Euer großer Festtag. Ich bitte Gott, daß Er ihn gnädig segnen wolle. Diesen Drang zur Vereinigung, der jetzt so viele Kreise durchzieht, – dürfen wir ihn als etwas von Gott Gewirktes ansehen? Ich möchte es wohl. Doch müssen wir in den einzelnen Fällen forschen, was Grund und Ziel der betreffenden Vereinigung ist. In früheren Zeiten hat man in Dettelsau oft gesagt: Jeder Mensch muß eine glühende Kohle haben, an der er sich erwärmen und neu entzünden kann, wenn er zu erkalten oder wenn sein Feuer zu erlöschen droht. Liegt Eurer Vereinigung ein solches Verlangen zugrunde: Wir wollen durch unsere Gemeinschaft einander helfen, daß das Feuer der „ersten Liebe“ nicht erlösche, daß es neu angefacht und immerzu gemehrt werde? Ich möchte zu dem Festtag auch einen Gruß senden und der Bibliothek der Kitzinger Industrieschule ein kleines Geschenk machen, nämlich Löhes Büchlein „Von der weiblichen Einfalt“. Nehmt, Ihr lieben jungen Freundinnen, das Büchlein gern an, sucht es im Lauf des Lebens einmal mit Bedacht zu lesen. Aber mehr noch: sucht zu erkennen, was es um die weibliche Einfalt ist, und wenn Ihr erkannt habt, daß diese Tugend es wert ist, dann strebt ihr nach, dann jagt ihr nach wie nach einem köstlichen Kleinod, das imstande ist, Euer Leben zu ordnen, zu regieren, nach allen Richtungen hin zu bestimmen.

 Das Büchlein hat einen Anhang, der einen Unterricht gibt „vom Schicklichen und Schönen“. Ich erinnere mich noch wohl, wie uns Herr Pfarrer Löhe einen Unterricht vom Schicklichen und Schönen einmal mündlich gegeben hat. Laßt sein Wort auch an Euch herankommen, Ihr Trägerinnen der Zukunft. Achtet Euch für berufen, auch an Eurem Teile dazu zu helfen, daß unser armes, geknechtetes, verstörtes Volk wieder aufleben dürfe. „Bei der Jugend geht die Reformation an“, lautet ein bekanntes Wort, und ich möchte hinzufügen: der Charakter, die Haltung, der Ton einer Gemeinde wird bestimmt durch die weibliche Jugend. Also, Ihr Jungfrauen, die Ihr wohl in großer Zahl übermorgen zusammengeströmt

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/260&oldid=- (Version vom 10.11.2016)