Seite:Therese Stählin - Auf daß sie alle eins seien.pdf/266

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
An Schwester Marie Winterstein.
Neuendettelsau, 9. Juni 1923

 Meine geliebte Schwester, nun begraben sie die liebe Schwester Auguste Hensolt. Es ist eine große Bewegung in der Genossenschaft. Viele, viele Schwestern sind gekommen. Vorigen Mittwoch war ich auch im Krankenhaus – stundenlang. Es war ein langsames Sterben. Es ist ja viel gebetet worden um die Erhaltung des Lebens von Schwester Auguste. Gott hat es so entschieden. So ist dieser Weg der rechte: „Es sei stille vor ihm alle Welt.“ Herr Rektor war selbst sehr bewegt. Der Verlust für’s Ganze und speziell für die Schule, an der sie mit großer Freude gearbeitet hat, ist sehr groß. Nun beten wir um den rechten, besten Ersatz.

 Ich schreibe immer in Zwischenräumen, aber ich will doch heute den Brief vollenden. Eben haben wir Gebetsvereinigung im Blödenbetsaal gehabt. Die ist mir besonders lieb. Ich glaube, ich habe mich unbewußt nach so etwas gesehnt. Gott hat es Frau Oberin Selma ins Herz gegeben. Daß recht der Ewigkeitssinn unsere Genossenschaft beherrschen möge, das wurde auch erbetet.

Deine Therese.


An Schwester Marie Winterstein.
Neuendettelsau, Pfingsten 1923

 Meine liebe Schwester Marie, jetzt muß immer mit Millionen gerechnet werden. O was ist das für eine Zeit! Es ist auch mir bedrückend, daß ich jetzt so viel koste. Schwester Marie Preller begegnete mir gestern mit einem Kipf und sagte: „Der kostet 1000 Mark!“ – Wir stehen in Gefahr, weil wir so wohl versorgt sind, die Lage nicht mehr recht zu erkennen. Noch hilft ja Gott unsern Anstalten wunderbar. Dieser Tage hatte ich sogar die Freude, große Summen austeilen zu dürfen, die ein amerikanischer Pastor mir geschickt. Sorget nicht! Ich habe eine so schöne Geschichte gehört von Schwester Margarete Beil in Schillingsfürst. Eine Dame aus Amerika, ihnen ganz unbekannt, schrieb an Herrn Pfarrer: „Ich heiße auch Elise und schicke dem Elisenstift zehn Dollars.“ Wie wunderbar! An dem Tag hatte der Kassier zu Schwester Margarete gesagt: „Schwester, wir können die Schweine nicht kaufen, wir haben kein Geld!“ Und am Abend kommen zehn Dollars!

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/266&oldid=- (Version vom 10.11.2016)