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An Schwester Elisabeth von Oldershausen.
Neuendettelsau, 8. März 1886

 Meine liebe Elisabeth, es ist mir ein rechter Vorwurf, daß ich Dir so lange nicht geschrieben, und Du hast doch so viel erlebt. Meine Schwester, ich habe das in meinem kleinen Leben so erkannt, daß wir zu einer neuen Station auf unserm Himmelswege nur durch Schmerzen gelangen können, wenn sie dann hinterlegt ist, die Schmerzensstrecke, und der saure Tritt getan, dann möchte man Seine Hände küssen und ist so froh um einen neuen Strahl Seines Lichtes über Seine Gnade und Weisheit. Seine heilige, starke Liebe hat es auf unser Vorwärts und unsere Vollendung abgesehen.

 ...Das Luisle können wir nicht mit Schwester Helene von Meyer ins Feierabendhaus lassen. Herr Rektor hat das entschieden abgelehnt. Und ich meine, wir dürfen’s schon wegen der Konsequenzen nicht. Da kämen sonst schließlich manche Schwestern mit irgend einem Appendix, und es bestehen darüber doch auch Grundsätze in unserer Hausordnung, die wir nicht einfach umgehen können.

 ...Menschen haben wir keine, sollen nur immer Stellen besetzen ohne Leute! – Wir bauen dem Herrn Doktor ein Haus. Es ist vielleicht schon fertig, wenn Du das nächste Mal kommst.

 Grüß mir Deine Schwestern schön, und Gott schenke Euch eine heilige, gesegnete Zeit.

Deine Therese.


An eine Schwester.
Gunzenhausen, 29. 4. 1886

 Meine liebe Schwester, es ist mir solch ein Schmerz, wenn Du nicht glücklich bist. Es paßt zu Dir eine gedrückte Stimmung gar nicht. Es ist aber die Ursache, wenn ichs recht verstehe, nicht Dein äußeres Erleben, sondern es muß etwas zwischen Dir und Deinem Heiland stehen, sonst könnt’s nicht so sein. Meine Schwester, ich weiß es ja doch, daß uns nichts fehlt, wenn wir Ihn haben, wirklich haben. Der Auferstandene, der die Jünger mit so viel Freude erfüllen konnte, auch einen trübseligen Thomas zum Jauchzen bringen, der kann doch auch all Deine Wunden heilen, wir müssen Ihn nur beikommen

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Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/32&oldid=- (Version vom 5.7.2016)