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Die Küche leidet ja, seit alles so groß geworden ist, sehr unter dem Mangel eines geeigneten Kellers, größerer Vorratsräume etc. Seit Jahren ist uns von der Regierung befohlen, andere Schlafräume für unsere Schülerinnen herzustellen; seit Jahren leiden wir unter dem Mangel einer Badeeinrichtung im eigenen Haus etc. Wir glauben nun, das Rechte getroffen zu haben, indem wir den kleinen östlichen Flügel einlegen, darunter die nötigen Keller graben und den Flügel selbst breiter, höher und länger wieder aufbauen. Dadurch, und wenn wir noch das alte Magdalenium zu Zwecken des Mutterhauses verwenden, kommen wir zu dem erwünschten und ersehnten Ziel. Nach den sonderlichen Schwierigkeiten, die gerade dieser Bauplan mit sich brachte, war es uns wie ein überaus wohltuendes, gnädiges Amen unseres himmlischen Vaters zu unserm Vorhaben, als uns am 12. März die Nachricht zuging, ein Fräulein in Nürnberg habe uns 5000 Mark im Testament vermacht.

 Dieses Testament ist schon im Jahre 1882 gemacht worden, das Fräulein selbst im Lauf des vorigen Monats gestorben, uns aber mußte gerade an dem Tag die Nachricht zugehen, denn am 13. März legten die Arbeiter die erste Hand an, den Flügel einzulegen, zunächst die eiserne Treppe abzuschrauben. Jetzt, indem ich das schreibe, ist die Arbeit des Einlegens schon fast beendet und Stube 17 und 18, in welchen seit 35 Jahren so viel gelehrt und gelernt worden ist[1], sind von der Erde verschwunden!

 Und nun leben wir in der Stillen heiligen Woche, und es war mir heut morgen, als ich draußen einsam ging und alles so gar still war auf der Dettelsauer Flur und im geliebten Wald, als empfände ich etwas in meinem kleineren Maße von dem, was durch die Seele unseres Herrn Pfarrers gegangen sein muß, als er einmal mit der seligen Frau Oberin und mir von Reuth herüberwanderte. Es war Montag in der Stillen Woche, da stand Herr Pfarrer auf einmal still, schaute über die erwachende Frühlingswelt hin und sagte: „Die ganze Natur trieft vom Andenken der Karwoche.“ Ja, laßt es stille werden in unser aller Herzen, meine lieben Schwestern, es fließt


  1. Schulzimmer der Grünen und der Blauen.
Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/65&oldid=- (Version vom 9.8.2016)