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und sprach über die Worte: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen...“

 Es ist recht merkwürdige Zeit in Dettelsau: die großen, ernsten, schönen Aufgaben – wir haben ja auch den einen Flügel in Himmelkron gekauft – und dabei die mächtige Bewegung, die von unserem ernsten, frommen, geistesmächtigen Herrn Rektor ausgeht. Ihr müßt recht für ihn beten, denn er trägt an den Lasten oft furchtbar schwer, und mir bebt auch oft das Herz, wenn er so die tiefen Schäden findet und nicht anders kann, als allem auf den Grund gehen, und dann doch zuweilen keinen Ausweg sieht. Aber der Herr, der uns, nachdem Er uns unsern lieben Herrn Rektor genommen, wieder einen solchen Ersatz gegeben, will uns ja noch nicht wegwerfen, und Er hat auch unserem neuen Führer ein sehr barmherziges Herz gegeben neben dem Ernst und der Strenge.

 Wenn ich nur Zeit hätte, ich wollte Euch so gern von unserem Reichtum mitteilen. Ach, heut abend war solch eine wunderbare Stunde für die Probeschwestern. Wir können Gott nicht genug danken.

 Nun geht’s hinein in die heilige, ernste Zeit. „Opfern Sie Ihre Lieblingssünde in dieser heiligen Zeit“, hat Herr Rektor heut abend gesagt. „Ich will mich mit Dir schlagen ans Kreuz und dem absagen, was meinem Geist gelüst’t.“

 Gott behüte Euch. Er mache aus unserer armen, in viel Lauheit und Sünde steckenden Genossenschaft noch etwas Neues zu Ehren Seiner heiligen Wunden.

In herzlicher Liebe Deine Therese.


An eine Schwester.
Neuendettelsau, Dienstag nach Lätare 1892

 Meine liebe Schwester, mir ist es ein großes Herzensanliegen, daß wir alle uns in rechter Weise in die neue Zeit finden. Nicht wahr, unser lieber seliger Herr Rektor kommt nicht wieder, und das wäre eine mißverstandene Treue, wenn wir dem nach Gottes Willen unter uns waltenden Nachfolger das Leben schwer machen wollten. Laß uns treu bewahren, was wir von unserem lieben seligen Hirten Großes und Gutes empfangen haben, und laß uns aufgeschlossen und hingegeben

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Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/93&oldid=- (Version vom 8.8.2016)